Vor allem Solaranlagen auf Gebäuden und Infrastrukturen bieten ein grosses Potenzial zur Stärkung unserer Versorgungssicherheit. In der Vorlage werden zudem die Interessen des Landschafts- und Naturschutzes berücksichtigt und auf die Steigerung der Energieeffizienz und die Wirtschaftlichkeit des Ausbaus geachtet.
Die Ausgangslage
Wir alle realisieren, dass unser Strombedarf laufend steigt. Einerseits basiert der Erfolg unserer Wirtschaft auf der Zuverlässigkeit der Energielieferungen, andererseits ist die Gesellschaft selbst Haupttreiber zusätzlichen Energiebedarfs. Elektroautos und Wärmepumpen für Heizungen nehmen laufend zu, sie sind ein vernünftiges Gebot der Stunde.
Bundesrat und Parlament empfehlen deshalb die Annahme der Vorlage. Bundesrat Albert Rösti (SVP), als Vorsteher des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), meinte an einer Medienkonferenz: «Die Versorgungssicherheit kann nur durch den Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen im Inland erreicht werden. Das Gesetz beschleunigt diesen Ausbau und es verringert Abhängigkeit von Energieimporten und das Risiko von kritischen Versorgungslagen, wie sie in den vergangenen Winterhalbjahren aufgetreten sind.»
Güterabwägung beim Entscheid zu den Solarpanels in den Alpen
Ein Befürworter der ersten Stunde für grosse Solaranlagen in den Alpen ist der Ingenieur Ruedi Kriesi, Präsident der IG Solalpine. Er legt Wert darauf, zu unterstreichen, dass diese Organisation neutral und unabhängig von den Elektrizitätswerken sei. Er ist sichtlich desillusioniert darüber, dass einzelne Gemeinden und Umweltverbände diese Projekte ablehnten, indem sie auf Flyern Angst verbreiteten. Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Doch er gibt zu, dass das Förderungsprojekt Solarexpress die betroffene Bevölkerung etwas überrumpelt habe, statt sie vorgängig sogfältig zu informieren, sodass sie emotional hätte einstimmen können.
Vor allem ist Kriesi enttäuscht über Organisationen wie Pro Natura, Birdlife oder Stiftung für Landschaftsschutz, die projektbezogen (z.B. Ilanz und Surses) falsche Bilder suggerierten und Argumente verbreiteten, die Unsinn seien. Als Beispiel nennt er die Behauptung der Umweltschützer, dass es völlig genüge, auf den Hausdächern Photovoltaikanlagen zu installieren, um einen allfällig fehlenden Energiebedarf im Winter zu ersetzen. Doch es darf daran erinnert werden, dass auch die oben genannten Umweltverbände das neue Stromgesetz im Prinzip befürworten.
Was wären denn die Alternativen? Wer an dieser Stelle mit dem Argument des Atomenergie-Ausbaus punkten möchte, muss akzeptieren, dass diese Möglichkeit den sich kurzfristig abzeichnenden Strommangel nicht beseitigen könnte – allein schon aus zeitlichen Gründen. Dass bei der persönlichen Güterabwägung für oder gegen das neue Gesetz die Sorge um eine intakte Natur eine grosse Rolle spielt, ist absolut verständlich. Vielleicht sollten aber die Auswirkungen einer plötzlichen Stromlücke im persönlichen Umfeld vermehrt gewichtet werden, auch wenn das schwer vorstellbar scheint. Sollte es einmal so weit kommen – was niemand erwartet –, dann wäre das Argument, dass das niemand voraussehen konnte, Makulatur.
Und noch etwas: Die Beteuerung, dass «ich im Prinzip für die Energiewende bin, aber nicht so», entlarvt sich bei genauerer Diskussion als Worthülse, die leider populär und nicht auszurotten ist.
Der Zusammenhang zwischen Klimaschutz, Abhängigkeit von ausländischem Gas und Öl und neuem Stromgesetz
Einer der Gründe, weshalb Bundesrat und Parlament das neue Stromgesetz verabschiedet haben, ist unsere aktuelle Abhängigkeit von Gas- und Erdölimporten. Auch aus dieser Sicht macht die Umstellung auf einheimische erneuerbare Energie und deren Förderung Sinn. Wir möchten ja bis 2050 das Netto-Null-Ziel erreichen. Und aus aktuellen Überlegungen müsste der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine Grund genug sein, um sich für eine autonome Stromversorgung zu entscheiden.
Das ambitionierte Ziel, unsere Stromproduktion aus Erneuerbaren von fünf auf neu 35 Terrawattstunden zu steigern, beruht unter anderem auf Projekten, die Wasserkraft zusätzlich zu nutzen. Parallel dazu soll mit Effizienzsteigerungen Strom gespart werden. Noch etwas Wesentliches soll sich ändern: Die zwingende Einführung einer kostendeckenden Minimalvergütung für von privater Seite ins Netz eingespiesenem Solarstrom muss rasch und zwingend vorgeschrieben werden.
Damit kann sich das zur Abstimmung stehende neue Stromgesetz zu einer Win-win-Situation entwickeln.
Die Nein-Kampagne
Mit der Begründung, die Bevölkerung sehe die Verschandelung der Landschaft mit Windrädern und Solaranlagen viel kritischer (als die Befürworter), versucht die SVP, Stimmung gegen die Vorlage zu machen, und Teile der FDP tun es ihr gleich, wenn sie die Vorlage gar als verfassungswidrig bezeichnen. Der federführende Departementsvorsteher Albert Rösti dürfte daran offiziell wenig Freude haben.
Wenn in diesem Zusammenhang der neue SVP-Präsident Marcel Dettling («Windräder sind mir ein Graus», Tages-Anzeiger) gegen das neue Gesetz mit der Begründung wettert, dieses beinhalte einfache Verfahren für den Bau von Wind- und Solaranlagen, so sei ihm, dem Bergler und Bauern, diese Sicht der Dinge nicht genommen. Wer Magdalena Martullo-Blocher als treibende Kraft hinter dem plötzlichen Nein (nach anfänglichem Ja) ihrer Partei vermutet, wird wohl auch nicht ganz falsch liegen. Doch das inbrünstige Absingen der Landeshymne durch die Parteispitze am Parteitag mag nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihre Partei in dieser Sache tief gespalten ist.
Wie dem auch sei, der Stadt-Land-Monitor von Sotomo zeigte seinerzeit jedenfalls eine breite Unterstützung der Bevölkerung für den Ausbau von Solaranlagen an Gebäuden.