Es ist an der Zeit, eine neue Zeit zu beginnen. Ich meine: Sie und ich – wir können viel verändern. Dabei gehe ich davon aus, dass uns Menschen mehr verbindet, als uns trennt. Wir haben gemeinsame Interessen. Deshalb müssen wir aus den alten Denkbahnen ausbrechen und realisieren: Wir können die gegenwärtigen Probleme nicht mit dem gleichen Denken lösen, wie wir sie geschaffen haben. Wir müssen anders denken.
Das kann damit beginnen, dass wir uns ehrlich fragen, welches denn unsere Ideale sind. Viel Geld, tiefere Steuern, ein grösseres Auto? Fröhliche Kinder, ehrliche Arbeit, integrer Familien- und Freundeskreis? Aus diesen unterschiedlichen Wertigkeiten wollen wir keine Gegensätze konstruieren. Der Respekt des Andersdenkenden ist allein schon ein faszinierendes Denkmuster. Verharren wir einen kurzen Momentlang bei obigen Idealen.
Viel Geld. Kombinieren wir das viele Geld mit dem neuen Bewusstsein für die Dringlichkeit, wo dieses Geld nachhaltig investiert werden soll. Tiefere Steuern. Beim föderalistischen Wettlauf um immer tiefere Steuern und clevere Steuerdeals mit Ausländern keimen aber da und dort leise Zweifel. Ist die politische Rechtfertigung "Wir können alle davon profitieren" die ganze Wahrheit? Ein grösseres Auto. Realisieren wir, dass im Heimatland des unbegrenzten Fahrspasses "off-the-road" die Herstellergiganten dieser Dinosaurier inzwischen vor dem Konkurs stehen? Fröhliche Kinder. Warum sparen wir aber ausgerechnet bei der Bildung, dieser entscheidenden Zukunftsinvestition und geben gleichzeitig Milliarden aus für Vergangenheitssubventionen, die einer überholten Strukturerhaltung gleichkommen? Ehrliche Arbeit. Wie steht es um die eloquenten Legitimierungsversuche von Millionenbezügern im Anstellungsverhältnis, die unerschütterlich legal und legitim verwechseln? Integrer Familien- und Freundeskreis. Planen wir zu deren Pflege auch genügend Zeit ein, um ein privates soziales Netz zu knüpfen, dessen Dividenden erst längerfristig ausgeschüttet werden?
Die persönlichen Ideale jedes Menschen könnten also unterschiedlicher nicht sein. Wenn wir uns auf gemeinsame Ziele konzentrieren, werden hinter den unterschiedlichen Lifestyles starke individuelle Kräfte wirksam, die es zu bündeln und nutzen gilt. Dabei behilflich ist die motivierende Idee, dass diese Ziele in der Zukunft liegen und dass die Zukunftsgestaltung unseres Landes von entscheidender Wichtigkeit ist. Bis zum heutigen Tag fehlt leider das politische Agendasetting der schweizerischen Zukunftsplanung.
Wenn wir die bedrückende Finanz- und Wirtschaftskrise primär als bedrohliche Gefahr empfinden, so entdecken wir doch als schwachen Silberstreifen am Horizont auch die grosse Chance dieser ungemütlichen Zeit. Benutzen wir die konjunkturellen Tiefschläge als Motivation, anders zu denken und über den eigenen Schatten zu springen. Lösungsorientierte Kompromissbereitschaft zu signalisieren die – anders als in fanatischen "Glaubenskriegen" – nicht mehr als Schwäche diffamiert, sondern als kreative Stärke akzeptiert wird.
Der Aufruf, anders zu denken bewirkt, vom Zuschauerrang ins Lager der Performer zu wechseln. Dabei ist die persönliche Motivation ähnlich vielfältig wie die Ideale. Viele von uns haben die lärmige und gleichzeitig tote Zone satt, zu der die Politik da und dort verkommen ist. Statt der zynischen Haltung gegenüber Politik oder öffentlichem Engagement zu der uns diese Entwicklung verführt hat, raffen wir uns auf: Die viel gerühmte älteste Demokratie der Welt bietet neben persönlichen passiven Rechten auch die Chance der Wahrnehmung individueller, aktiver Pflichten. Wir wollen uns doch nicht von Barack Obama sagen lassen, was der "Schweizerische Traum" ausmacht, neben dem Tell-Denkmal und der AUNS. "Yes, we can" sagen wir uns, schliesslich sprechen unsere Enkel schon seit der Kindergartenzeit auch englisch. Das denken wir:
Wir entscheiden uns für Engagement statt Gleichgültigkeit, auch wenn unsere Umgebung anfänglich skeptisch reagiert. Engagement in der Gemeinschaft, der Nachbarschaft, der Gemeindepolitik. Wir ergreifen Partei zwischen Recht und Unrecht, auch wenn geltendes Recht manchmal unrecht ist. Pauschalbesteuerung für Ausländer, als Beispiel. Wir unterscheiden beim Konsum der Medien zwischen unerträglichem Geschwafel und ehrlichen Botschaften. Zwischen Lobbyisten und Integrationsfiguren.
Wir haben 2008 realisiert, dass alle Voraussagen der wichtigsten Prognostiker ins Leere zielten, ja total versagten. Unsere Erkenntnis: Die dramatischen Änderungen kommen unangemeldet. Auf Prognosen ist kein Verlass. Auch nicht auf die heute täglich vermeldeten Katastrophen-Szenarien. Wir entlarven jene stets medienpräsenten Politiker, die nur noch Phrasen dreschen. Wir haben überhaupt genug vom politischen Schubladendenken, das uns weise machen will, es gebe einfache Lösungen und dabei erst noch nur ein Entweder/Oder.
Wir haben realisiert, dass unsere Empörung und Wut über das widerliche Verhalten in einigen Vorstandsetagen und Konzernleitungen allein nicht genügt. Wir müssen selber im Alltag handeln um den nachdenklich stimmenden Ruf zu hören: Das Böse braucht das Schweigen der Mehrheit.
Nach diesen, zugegebenermassen zufälligen Auflistung unserer unterschiedlichen Idealen und Motivationen fokussieren wir uns auf die gemeinsamen Ziele.
- Unsere Einsicht, dass Problemlösungen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen in unerreichbare Ferne rücken. Das Ausgraben ausgeleierter Dogmen, auch das unergiebige Grübeln nach Ursachen einer Krise bringt nichts.
- Wir machen uns das Verstehen zu Nutzen, dass die Erde sich dreht und die Zeit im Sauseschritt vergeht. Einst in bester Absicht formulierte Ansichten, Gesetze und Verordnungen können deshalb längst obsolet, ja kontraproduktiv geworden sein – ohne Vorwurf an die Verfasser. Das Schweizer-Haus ist renovationsbedürftig.
- Entfernen wir uns als gefragte Kapazitäten vom medialen Erwartungsdruck, auf jede Frage eine Lösung glauben skizzieren zu müssen nach dem Motto "…meiner Meinung nach müsste …" Sagen wir einfach: "Wir wissen es nicht."
- Realisieren wir endlich, dass die Abhängigkeit der Schweiz von Erdöl, Erdgas und Klimaerwärmung unsere Zukunft weit mehr gefährdet als Ausländer und Brüsseler Vögte. Ein Land, das die Kontrolle über seine Energieressourcen nicht hat, hat auch die Kontrolle über seine Zukunft nicht.
- Besinnen wir uns als Land ohne grosse natürliche Bodenschätze also auf typisch schweizerische Stärken und Alternativen. Das Uhrenmacher-Metier hat uns weltweit Prestige und schweizweit Geld und Arbeit eingebracht. Der nächste Schritt ist längst überfällig: Überziehen wir unser Land mit Energieprojekten der nachhaltigen Art, exportieren wir dieses Know-how. In absehbarer Zeit werden Touristen aus China, Japan und Indien bewundernd ausrufen: "Switzerland, great country, cheese, watches, green energy."
- Sehen wir diese "Grüne Revolution" in unseren Szenarien bereits deutlich: Jedes Haus wird ein kleines Kraftwerk, jeder Mensch darin also Stromproduzent. Dank Photovoltaik – weder Stromlücke, noch Abhängigkeit.
Was in den letzten Jahrzehnten der vermeintlich immer währenden Wachstumsmanie und des abstrusen Marktwahns verloren ging, sind unsere gemeinsamen altmodischen schweizerischen Ideale. Das gegenseitige Vertrauen und ein Gemeinschaftsgefühl, das letztmals – leider in Kriegszeiten – selbstverständlich war und uns zusammenschweisste. Damals grassierte die grosse Krise, aus der wir uns aufrappelten, und wie!
Wir müssen anders denken. Unsere Zukunft liegt in unseren Händen.