Die Medien stehen unter Druck. Konsequenz des Zeitenwandels sind rückläufige Leserzahlen bei den Zeitungen. Eine der Folgen: Tamedia stellt die Publikation «20 Minuten» ein. In den sozialen Medien verdrängen immer mehr Bilder oder gar Fake News informative Texte. Gleichzeitig kämpft Radio SRF mit schwindenden Hörerzahlen. Bei TV SRF vermiesen Entlassungen die Stimmung des verbleibenden Personals. Zudem wird die Pressefreiheit immer wieder von Behörden ausgehebelt. Da ist der richterliche Entscheid im Fall «Hässig» zu begrüssen. Schliesslich ist die Öffentlichkeit auch auf die riskante Arbeit der Whistleblower angewiesen.
Unzimperliches Vorgehen der Staatsanwaltschaft ist ein Schwächezeichen
Wenn man mit sechs Beamten überfallmässig das Büro des Onlinemediums «Inside Paradeplatz» stürmt, Computer und Dokumente beschlagnahmt, ist das noch kein Beweis für die Korrektheit dieses Vorgehens. Vielmehr muss man sich fragen, wer hinter dieser «Action» steht respektive wo die treibenden Kräfte dafür zu suchen sind. Natürlich ist Lukas Hässig nicht dafür bekannt, sanfte, rührselige Storys zu publizieren – er steht vor allem dafür, im Bankenbereich zu fischen. Unser Land ist jedoch darauf angewiesen, neben den «offiziellen» Communiqués politischer Parteien und Firmen-CEOs, der Bauern- und anderer Wirtschaftslobbys, des Bundesrates oder selbsternannten Experten auch ab und zu andere Töne zu vernehmen.
Es braucht Whistleblower
Gelegentlich dringen auch in der Schweiz Gerichtsfälle mit Whistleblowern an die Öffentlichkeit. Fälle, bei denen mutige Menschen, meist Mitarbeitende in betroffenen Firmen, Fehlverhalten des Managements oder betrügerisches Verhalten von Verantwortlichen ans Tageslicht zerren. In den meisten Fällen ist es heute noch so, dass Gerichte diese Aktionen zufolge geltenden Rechtes (z.B. Bankgeheimnis) so beurteilen, dass die Aufdecker von Unrecht verurteilt werden, während die unrechtmässig Handelnden geschützt sind (Unrecht wird höher eingestuft als Recht …).
In Erinnerung bleiben spektakuläre Fälle wie der eines Rudolf Elmer versus eine Bank oder jener des Genfer Xavier Justo im Zusammenhang mit dem milliardenschweren Korruptionsskandal um einen Malaysischen Staatsfonds. Oder die Story der Nestlé-Mitarbeiterin, die Mängel in der Lebensmittelsicherheit aufdeckte: Sie verlor ihre Stelle, doch sie liess nicht locker und wurde rund 10 Jahre später freigesprochen und erhielt rund zwei Mio. Franken als Entschädigung. Auch der Fall Christoph Meili um Holocaust-Vermögensdokumente-Vernichtung in einer Schweizer Bank ist nicht vergessen. Da wird altes Denken sichtbar – doch damit wird in Zukunft immer weniger Recht geschaffen werden.
Es gibt viele weitere Fälle und sie zeigen exemplarisch das Spannungsfeld zwischen öffentlichem Interesse und wirtschaftlicher Geheimhaltungspflicht. Noch wird begangenes Unrecht gerichtlich geschützt. Und noch immer haben wir kein umfassendes Whistleblower-Schutzgesetz. Kein Ruhmesblatt.
Die Öffentlichkeit hat eine Aufgabe: Sie muss Klartext reden. Wenn bereits Drohkulissen zu einer möglichen Hausdurchsuchung führen oder erst recht, «wenn investigativer Journalismus mit Hausdurchsuchung und Strafverfahren beantwortet wird, entsteht ein Klima der Einschüchterung» (SonntagsBlick).
Wieder einmal steht das Parlament in der Kritik
«Seit wenigen Jahren können Richter unliebsame Medienberichte einfacher stoppen als zuvor. Neu darf ein Gericht eine Publikation bereits dann vorsorglich verbieten, wenn der betroffenen Person ein schwerer Nachteil droht» (NZZ am Sonntag). Dies muss im Zusammenhang mit der Tendenz des Parlaments beurteilt werden, medienfeindliche Akzente zu setzen, was wiederum zu einer Einschränkung der Medienfreiheit führen kann. Was steckt dahinter? Ist es ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Medien (genährt von dubioser oder unprofessioneller Berichterstattung) oder sind es schlechte Erfahrungen mit einzelnen Journalistinnen und Journalisten?
Unsere Demokratie basiert auf öffentlichen Diskussionen und politischen Entscheidungen. Da können Medien einen wichtigen Beitrag leisten. Wenn das Parlament deren Arbeit erschwert, stellt sich die Frage, warum. Haben wir keine wichtigeren Probleme im Land? Sind andere als die offiziellen, politischen unerwünscht?
Grünes Licht für die Medienfreiheit
Wenn Menschen, vorab Journalistinnen und Journalisten, im Sinne der Bevölkerung handeln und damit den eminent wichtigen Job als investigative «Detektive» ausüben, ist das prinzipiell zu begrüssen. Es ist deshalb aus der Zeit gefallen, wenn Gerichte zum Beispiel das Bankgeheimnis vorschieben und damit höher gewichten als Gesetzesverstösse und Betrugsfälle. Eine Richterin in der NZZ meint dazu dezidiert: Das ist «offenkundig falsch».