Qualität und Quantität stehen in einem engen Konkurrenzverhältnis. Allerdings gilt die alte Regel, wonach die Qualität sinkt, je mehr die quantitativen Aspekte wichtiger werden. Es gibt ihn eben nicht, den Föifer und's Weggli. Oder, zumindest sehr selten.
Galt einst die Qualität unseres Fernsehens als oberstes Gut, so ist dieses anspruchsvolle Gütesiegel dem Primat der Einschaltquoten geopfert worden. MusicStar statt Sternstunden. Längst ist auch die beschauliche Zeit der vertiefenden Berichterstattung in den Printmedien passé. Das jährliche Ranking der Auflagen (resp. des Auflagenschwundes) gilt als Mass aller Dinge. Fastfood statt Feinkost. Im Aktienkurs widerspiegelt sich heute weniger der innere Wert (Buchwert) des Unternehmens als vielmehr die Meinung der Analysten. Herdentrieb statt Substanzanspruch. Dass der Verkauf von Ramschpapieren bei Banken und Hypothekarinstituten in den USA (und anderswo) längst nicht mehr vom qualitativen Zustand des Schuldners und dessen Liegenschaft abhing, sondern getrieben wurde vom Ausmass der Provisionshöhe des Gläubigers – schmerzhaft hat die Welt das erfahren. Masslosigkeit statt Augenmass. An die Stelle stiller Kunstausstellungen ist der Event-Tourismus getreten. Der Massenkonsum hat Einzug gehalten – möglichst viele Besucher in einer Nacht, das ist jetzt das Kriterium. Dabei gewesen zu sein die Motivation, im Kunst-Shop eingekauft zu haben die Befriedigung. Poster statt Bilder.
Politik in Bern wird massgeblich bestimmt durch National- und Ständerat und deren Volksvertreter. Naive Bürgerinnen und Bürger könnten daraus schliessen, dass dort die Weichenstellung für die Zukunft der Schweiz nach den Wünschen des Volkes gestellt und Partikularinteressen abgeschmettert würden. In Tat und Wahrheit taktieren die Minderheiten politischer Lobbyisten äusserst clever und erfolgreich. Von den jeweils anwesenden Parlamentariern genügen rund 110 (beide Kammern), um eine Vorlage durchzubringen. Wenn drei starke Minderheiten von Polit- und Wirtschaftsgruppen sich zusammentun, gewinnen sie die Abstimmung. Das nächste Mal unter wechselnden Vorzeichen. So prägen Minderheiten, die allein nie eine Chance hätten, den Polit-Alltag im Bundeshaus. Wahrlich weder Ruhmesblatt noch Qualitätsmerkmal.
Einen ausgeprägten Realitätsverlust zeichnet in unserem Land viele gewichtige, alte (Männer-) Seilschaften aus. Einst in jüngeren Jahren in Amt und Würde gewählt, entwickelten sich viele zu einem geschlossenen Klüngel-System, das sich gegenseitig Posten, Gehälter, Boni und Ämter zuhält. Die überalterten Männerbastionen sind heute zum Bremsklotz oder zu Fehlinterpreten der Entwicklung verstaubt. Dass sie sich primär auf ihre eigenen mächtigen Rollen fokussieren, führt dazu, dass Machtgehabe statt vorausschauendes Strategiedenken ihr Umfeld prägt. Doch wer sich auf seine in der Vergangenheit erworbene Macht fixiert, ist vergangenheitsorientiert und verpasst die grossen Zukunftstrends. Obwohl diese fatale schweizerische "Spezialität" seit Jahrzehnten kritisiert wird, funktioniert sie nach wie vor bestens. Debakel bei der UBS, CS, Swiss Re, Swiss Life führen zwar zu "Absetzungen" in den obersten Etagen. Über kurz oder lang tauchen die gleichen Namen (Ausnahme Ospelt) in gleichen oder ähnlichen Spitzenpositionen wieder auf – als gäbe es im Land keine jüngeren, ausgewiesenen Könner.
Oft sind diese intransparenten, unsichtbaren und geschlossenen Netzwerke auf früheren Militärkarrieren aufgebaut. Man kennt sich seit Jahrzehnten – gegen solche Freundschaften wäre auch gar nichts einzuwenden. Wenn darunter nicht Politik und Wirtschaft leiden würden, wenn nicht am Ende des Fadens die ganze Gesellschaft die ungeniessbare Suppe auszulöffeln hätte.