„Keine Herausforderung stellt eine grössere Bedrohung für die Zukunft und künftige Generationen dar als der Klimawandel.“ Präsident Obama unternimmt mit seinem „Clean Power Plan“ einen neuen Anlauf, mit strikten Klimaschutzregeln im eigenen Land gegen den Klimawandel anzukämpfen. Natürlich sind die Republikaner dagegen. Nichts Neues im Westen?
Wer sich getroffen fühlt, ist gemeint
„Wir haben nur einen Planeten. Es gibt keinen Plan B“, sagte Obama ergänzend. Hauptziel des neuen Klimaschutzplans ist die Reduktion des CO2-Ausstosses der einheimischen Kohlekraftwerke. Die Auflagen sind so rigoros, dass gar keine neuen mehr gebaut werden können. Doch nun kommen auch verschärfte Regelungen für die bestehenden Kraftwerke dazu. Die Kohlelobby hat bereits angekündigt, gegen die EPA zu klagen.
Die EPA (United States Environment Protection Agency) ist die Umweltbehörde der USA. Statt seine neuen Vorstellungen via Parlament durchzusetzen, umgeht Obama dieses mit einem Trick. Das Treibhausgas CO2 wird als gefährlicher Luft-Schadstoff eingestuft und nach dem „Clean Power Plan“ kann Obama über diese Umweltbehörde Massnahmen erlassen zum Schutz der Bevölkerung – am Parlament vorbei. An erster Stelle zielt er also auf die Kohlekraftwerke, die sich – wohl zu Recht – in der Existenz bedroht fühlen.
Zur Erinnerung: Kohlekraftwerke stehen zuoberst auf der Verursacherliste der Klimaerwärmung. An zweiter Stelle folgen Erdölkraftwerke, gefolgt von Gaskraftwerken. Erst an vierter Stelle finden wir den Verkehr, dann an fünfter die Massentierhaltung.
Zeichen setzen: „Yes, we can!“
Schon seit vielen Jahren fordern Wissenschaftler, die vom Klima wohl mehr verstehen als Abgeordnete in politischen Parlamenten oder gar eifrige Lobbyisten, mit Nachdruck den Ersatz der Kohlekraft durch klimaschonende Energieformen. Eine Neuordnung der Energiewirtschaft ist längst überfällig. Jene Menschen, die überall auf der Welt, die Sonnen- und Windenergie lächerlich machen oder ihnen gar jede Chance auf Erfolg absprechen, kommen immer mehr unter Druck. Umfragen lassen längst erkennen, dass die Klimaerwärmung immer grössere Kreise der Bevölkerung beunruhigt.
Skeptiker weisen darauf hin, dass Obama als grosser Ankündiger auftrete, wohl kalkulierend, dass er nur noch bis 2017 im Amt bleibe. Dennoch setzt er mit seinem mutigen Schritt ein wichtiges Zeichen: Im Dezember 2015 wird die Klimakonferenz in Paris stattfinden und die EU hat mit Obamas Initiative Verstärkung erhalten im Bemühen um einen wirksamen Klimavertrag, der den Namen auch verdient. (Zudem signalisiert endlich auch Chinas Präsident Xi Zustimmung zu konkreten Massnahmen).
„Yes, we can!“ Wahrlich, „die lahme Ente hebt ab“ (ZEIT) – zum Ende seiner Amtszeit gilt diese Devise weltweit – im Kampf gegen die Klimaerwärmung.
Klimaerwärmung: Pause, oder nicht?
Jene Kreise, die nach wie vor den menschlichen Einfluss auf die Klimaerwärmung abstreiten, hatten noch 2014 scheinbar Rückenwind. Während die globalen Temperaturen bis in die 1990er-Jahre markant angestiegen waren, wurde es seit 1998 auf der Erde im Mittel nur wenig wärmer. Diese Klimaskeptiker nutzten diese Situation, um die Gültigkeit der Klimamodelle in Frage zu stellen.
Reto Knutti, Professor für Klimaphysik an der ETH Zürich, wies schon vor einem Jahr auf die zwei wichtigsten Gründe für dieses Phänomen. Der eine liegt in den natürlichen Klimaschwankungen (El Niño und La Niña), der andere in den Schwankungen der Sonnenbestrahlung. Die Klimaerwärmung werde wohl bald weitergehen, prognostizierte der Wissenschaftler damals.
Aus der gleichen Quelle kommt jetzt die Mitteilung, dass diese Klimapause gar nie existiert habe. Eine Studie der amerikanischen Wetterbehörde NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration) kommt in „Science“ zu diesem Schluss.
„Die fehlende Erwärmung, zu der es Dutzende von Studien und Begründungen gibt, sei demnach ein Artefakt, also ein methodisch bedingtes falsches Ergebnis“, zurückzuführen auf die Schwierigkeiten, die globale Temperatur exakt über die Zeit zu bestimmen. Wer sich für Details dieser Studien interessiert, sei auf die Internetseiten der ETH Zürich („Klimaerwärmung“) verwiesen.
Folgen des Klimawandels
Thomas Stocker, Professor für Klima- und Umweltphysik an der Uni Bern zählt zu den bekanntesten Klimawissenschaftlern der Welt. Er wird nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass der Klimawandel auch direkt mit dem Ressourcenproblem verbunden ist. Wasser und Land werden zunehmend gefährdet. Er ist der Meinung, dass sich der von Menschen verursachte Klimawandel zu einem gefährlichen Eingriff in das Erdsystem ausweiten könnte, da er die Ökosysteme bedroht, die Produktion und Verteilung von Nahrung einschränkt und die Entwicklung der Menschheit beeinträchtigt.
„Es ist eine gute Nachricht", sagte Stocker auf Schweizer Radio SRF zu Obamas Initiative. "Es ist einer der wichtigsten Punkte im Klimaschutz, diese alten, ineffizienten Kraftwerke zu reduzieren." Stocker, der auch Mitglied des UNO-Klimarats IPCC ist, wertet den US-Plan als ein gutes Zeichen für das neue internationale Klimaabkommen, das in Paris verabschiedet werden soll. Obamas Plan könnte viele andere Staaten motivieren, im Klimaschutz mitzuziehen.
"Ich bin optimistisch, dass ein griffigeres Abkommen möglich sein könnte", sagte er. Noch nie zuvor seien die politischen Entscheidungsträger so gut über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels und die nötigen technischen Anforderungen informiert gewesen. Und noch nie habe es so konkrete Ankündigungen zur Emissionsreduktion gegeben wie etwa in Obamas Plan“ (swissinfo.ch).
Schwüle Hitze, heftiger Regen, schwindende Gletscher
Die Auswirkungen der Klimaerwärmung In unserem Land sind spürbar. In der NZZ am Sonntag (26.7.2015) kommt nochmals Reto Knutti zu Wort. „Der weltweite Trend zeigt, dass es immer mehr und intensivere Hitzewellen gibt. Vier von fünf heissen Tagen sind dem Klimawandel zuzuschreiben. Die intensiven Niederschläge haben an 92 Prozent aller Messstationen zugenommen.“
Auch dass unsere Gletscher schneller schmelzen denn je, ist längst überall bekannt. Das einst „ewige“ Eis schwindet zwei- bis dreimal schneller als im letzten Jahrhundert. Mit dem WGMS (World Glacier Monitoring Service) mit Sitz an der Uni Zürich besitzt die Schweiz eine internationale Forschungsstelle, die seit 120 Jahren relevante Daten zu Gletscherveränderungen. “Das Tempo, mit dem die Gletscher in aller Welt derzeit dahinschmelzen, ist beispiellos“, stellt Michael Zemp, der Direktor, fest.
Politik und Gesellschaft sind gefordert
Diese Feststellung ist weder neu, noch wird sie gross zur Kenntnis genommen. Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass die Regierungen dieser Welt die unbequemen, ja alarmierenden Erkenntnisse der Wissenschaft und des Weltklimarats ignorieren. Die Interessengegensätze in der Klimapolitik sind enorm. Die langfristigen Auswirkungen der Klimaerwärmung werden heute tätige Politiker, Lobbyisten, betroffene Wirtschaftsmanager, ja die Gesellschaft als Ganzes, nicht mehr erleben. Die Versuchung ist gross, mit den Schultern zu zucken.
In der Schweiz ist es nicht anders. Bundesrätin Leuthards neuen Klimaziele stossen überall auf Kritik. Grüne und Umweltverbände sind enttäuscht, am anderen Ende der Skala bezeichnet die SVP diese als „jenseits von Gut und Böse, ja völlig unrealistisch“.
Zwar ist offensichtlich, dass ein gewisser Bewusstseinswandel in grossen Teilen der Bevölkerung stattfindet. Doch dann hat’s sich. Nur eine Minderheit hat tatsächlich Konsequenzen gezogen und gehandelt. Die Zulassungszahlen neuer SUVs, die neuen Rekorde in Energieverbrauch, Emissions- und Abfallmengen sprechen eine deutliche Sprache. Die notwendige, radikale Verhaltensveränderung in der Gesellschaft ist ebenso wenig sichtbar wie jene in der Politik.
Der Aufruf zum Handeln ist verbunden mit dem kleinen Funken Hoffnung – weniger auf ein Wunder, als auf die Lernfähigkeit zur Verhaltensveränderung, die ja im Menschen angelegt sein soll.
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