Der Arbeitskräftemangel wird von Jahr zu Jahr bedrückender. «Wir müssen mehr Ausländer in die Schweiz holen!», fordern die einen. Gleichzeitig wird der Wohnungsmangel immer akuter: «Zu viel Einwanderung!», rufen die anderen. Gefragt sind keine starren, sondern flexible Gesetze und vor allem: Neues Denken!
Wir werden älter
Unsere Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Inzwischen beträgt sie in der Schweiz für Männer rund 82 Jahre, für Frauen 85 Jahre. Sofern die Gesundheit mitmacht, ist diese Nachricht wunderbar. Doch die Nebenwirkungen dieses Trends machen sich vor allem bei den Kosten unserer Vorsorgeinstitutionen und des Gesundheitswesens bemerkbar. Während Statistiken zeigen, dass die Anzahl Geburten tendenziell rückläufig ist, steigen gleichzeitig die Zahlen jener, die aus dem Arbeitszyklus ausscheiden. Tatsächlich übersteigt gemäss amtlichen Statistiken seit einigen Jahren die Zahl der neu pensionierten Leute die Anzahl jener, die ins Berufsleben starten. Diese Rechnungen gehen nicht mehr auf.
Das Problem
Viele Arbeitnehmende fühlen sich mit 65 nicht zu alt, um noch weiterzuarbeiten. Sie fühlen sich kompetent, verfügen über viel Erfahrung und arbeiten zuverlässig. Sie haben Freude am Arbeiten! Das gibt es tatsächlich … Gemäss internationalen Statistiken weist die Schweiz bei den 55- bis 64-jährigen Arbeitnehmenden eine der höchsten Beschäftigungsquoten weltweit aus. Doch bei der Beschäftigung der über 65-Jährigen sacken die Zahlen der Schweiz drastisch ab. Auch wenn viele Vorgesetzte oder Personalchefs sie gerne weiterbeschäftigen würden – no way. Denn viele Reglemente verbieten das. Dies ist, gelinde gesagt, nicht mehr zeitgemäss.
Und jene wenigen, die trotzdem weiterarbeiten, ohne den Rentenbezug aufzuschieben, geraten in die Steuerprogression: Arbeits- und Renteneinkommen werden zusammengezählt, was zu spürbar höherer finanziellen Belastung führt.
Die Politik ist einmal mehr gefordert, auf die Veränderungen der Zeit mit entsprechenden Reformen zu reagieren. Doch es braucht einen eigentlichen Kulturwandel. Noch sind viele Arbeitgeber viel zu kritisch, wenn es um die Weiterbeschäftigung ihrer über 65-Jährigen geht. Sie leben noch in den gesellschaftlichen Bildern des letzten Jahrhunderts. Das ist altes Denken.
«Viele Arbeitgeber haben das Potenzial der Generation über 65 noch nicht erkannt» (NZZ). Offensichtlich kennen sie auch das Sprichwort nicht: «Die Jungen rennen schneller – die Älteren kennen die Abkürzung!» Die ist neues Denken – Voraussetzung zur erfolgreichen Bewältigung der Zukunft.
Es gilt ausserdem zu bedenken, dass in der Schweiz die Warnung vor einem eigentlichen Fachkräftemangel immer lauter wird. Da wäre doch die Weiterbeschäftigung jener Spezialistinnen und Spezialisten im Unternehmen, die bereit und qualifiziert sind, noch einige Zeit weiterzuarbeiten, die eleganteste von allen Lösungen.
Woher das Geld nehmen?
Das Schweizer Vorsorgemodell – das Drei-Säulen-Prinzip – ist an sich nicht schlecht. Allerdings wird es in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit immer problematischer. Kürzlich hat ja das Schweizer Volk eine 13. AHV-Rente beschlossen, wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Befürworterinnen und Befürworter aus der linken Politecke grossartig verkündeten, «die Finanzierung ist gesichert!» Dies war schlicht gelogen, aber publikumswirksam. Seither streiten sich Politiker und Politikerinnen in Bern darüber, woher das Geld zur Finanzierung dieses Luxuspakets zu nehmen sei.
Monika Behr, Leiterin des Ressorts Leben bei der Allianz Suisse, meint auf diese Frage angesprochen: «Das Einfachste und Fairste wäre, wenn alle ein oder zwei Jahre länger arbeiten würden. Dann können wir uns alle eine höhere AHV-Rente leisten» (NZZ am Sonntag). Wenn wir uns den Abstimmungskampf zur 13. AHV-Rente von damals in Erinnerung rufen, können wir uns fragen, ob mit dieser Argumentation das gleiche Abstimmungsresultat herausgekommen wäre. Im Nachhinein ist man immer gescheiter – diese lapidare Feststellung gilt wohl auch in diesem Fall. Und ehrlich argumentierende National- und Ständeräte wären hilfreich, wenn es darum geht, das wichtige Problem der Sanierung der finanziellen Basis unseres Vorsorgemodells zu lösen.
Etwas länger arbeiten, warum nicht?
Ich habe volles Verständnis für jene Berufsgruppen, die verdientermassen aufatmen, wenn sie mit 65 pensioniert werden. So waren zum Beispiel die Bauarbeiter im Juni/Juli 2025 wahrlich gestresst, als sie tagelang bei über 30 Grad zu arbeiten hatten.
Doch solche Extremwetterlagen treffen nur für limitierte Berufsgruppen zu. Für eine Mehrheit der Arbeitnehmenden gelten andere Bedingungen. Und hier gibt es nicht wenige, die ihre körperliche oder geistige Arbeit schätzen und sich bewusst sind, dass sich diese Aktivität positiv auswirken kann. Körperlich und geistig aktiv zu bleiben fördert nachweislich die Gesundheit.
Wäre das einen Versuch wert?