Die „grüne Welle“ hat nicht nur National- und Ständerat umgepflügt. Neuerdings verhalten sich auch sie – Multis, Banken, Versicherungen, Grossverteiler u.a.m. – „nachhaltig“. Doch der (Mode-) Schein trügt. Der Begriff ruft nach Klärung.
Einst und jetzt
Vielleicht lernten wir damals in der Schule, wenn es galt, (den Lehrer) beeindruckende Aufsätze zu schreiben, den Begriff „längere Zeit anhaltende Wirkung“ elegant mit „nachhaltig“ zu ersetzen. Erst viel später klärte man uns auf, dass mit diesem Begriff das „ursprünglich forstwirtschaftliche Prinzip, nach dem nicht mehr Holz gefällt werden darf, als jeweils nachwachsen kann“ gemeint war. Doch längst gilt weltweit die moderne, viel umfassendere Bedeutung eines „Prinzips, nach dem nicht mehr verbraucht werden darf, als jeweils nachwachsen, sich regenerieren, künftig wieder bereitgestellt werden kann“ (Duden). Für viele überraschend, für andere nur logisch, hat sich zuletzt eine dramatische Begriffserweiterung etabliert: Hat ein Konzern ein CO2-Risiko? Die Medien überbieten sich trendgerecht mit beeindruckenden Firmenportraits; die Mediensprecher unterstreichen, wie nachhaltig (klimagerecht) ihr Unternehmen agiere. Ein Modebegriff, der nicht immer hält, was er suggeriert.
Im Grunde genommen wäre es klar und einfach
Seit der „Greta-Effekt“ dazu angestiftet hat, fragen sich viele Menschen, wie die Klima-Bilanz verbessert werden könnte. Sie wissen: nachhaltiges Verhalten beeinflusst in grossem Stil die Klimaerwärmung. Damit ist auch – neben der persönlichen – der Aspekt der globalen Verantwortung der grossen und grössten Konzerne in den Fokus gerückt. Die Auswirkungen deren Wirkens und Verkäufe müssten doch als Ganzes beurteilt werden können. Gemeint sind – neben der vierteljährlich stolz publizierten Umsatz- und Gewinnentwicklung - die ökologischen und soziale Folgen im „Global Village“. Doch es gibt keine international verbindlichen Regeln, es fehlen Deklarationspflichten. Folglich ist es schlicht unmöglich, effektive Nachhaltigkeitsleistungen zu messen und zu vergleichen.
Bleibt – quasi als Ersatz - der gesunde Menschenverstand. Die durch den Menschen verursachte Klimaerwärmung, worauf ist sie zurückzuführen? Die Gewinnung von Energie verursacht in Europa annähernd die Hälfte aller CO2-Ausstösse. Kohle und Braunkohle sind die grossen „Sünder“, ebenso Erdöl, Brenn- und Treibstoffe (Heizen, Flug- und Strassenverkehr). Somit liegt es am Verbraucher, die „Klima-Treiber“ zu registrieren. Es sind nicht selten solche, die im Moment zwar noch eine beeindruckende Performance aufweisen, die aber längerfristig eine tiefere Rendite befürchten müssen, da ihre Wettbewerbsfähigkeit zufolge veränderter Verbrauchergewohnheiten sinken wird. Sie gehen gleichzeitig ein erhöhtes Langfrist-Risiko ein.
Rechtzeitig umdenken
Nicht völlig überraschend sorgte der neue Geschäftsführer der Schweizerischen Bankiervereinigung im Dezember 2019 für Aufruhr in den eigenen Reihen und Anerkennung beim Publikum. Nicht nur spricht er sich für energieverteuernde Lenkungsabgaben aus. Klar und deutlich fordert er seine Branche auf, mittel- bis langfristig aus der Finanzierung von CO2-intensiven Unternehmen auszusteigen“ (TA). Offiziell werden diese Äusserungen von den Banken „im Prinzip bejaht, aber“…
Aus Erfahrung wissen wir, wie das gemeint ist.
Da bahnt sich einiges an Neuem an. Alte Geschäftsmodelle werden nicht mehr viel taugen. Eine weitere „epochale“ Entscheidung steht an. WWF-Geschäftsführer Thomas Vellacott äusserte sich im Tages-Anzeiger auch erstaunt darüber, „wie viele Schweizer Banken heute immer noch nicht wissen, wie gross der CO2-Fussabdruck ihrer Tätigkeit ist“. Mit Fussabdruck ist gemeint: Zusammenfassung der Leistungen des Unternehmens bezüglich Märkte/Infrastruktur, Arbeitswelt, Innovation/Technologie. Ein hoher Fussabdruck verweist auf zu grosse negative Auswirkungen in Ökologie, Klima und Ressourcenverschleiss hin, er ist eine wichtige Grundlage zur Bewertung unseres Wohlstands.
Es ist nie zu spät
Das grosse Umdenken hat begonnen. Im Dezember 2019 berichteten Medien über den Praxiswechsel bei der weltweiten Versicherung der Förder- und Transportkosten der Kohleindustrie. Sie ziehen sich immer mehr aus der Kohlebranche, „der grössten einzelnen Verursacherin des menschengemachten Klimawandels“ zurück. Der Rechtfertigungsdruck seitens der Gesellschaft wurde da zu gross. Erfreulicherweise gelten Swiss Re und Zurich als „Trendsetter“ die ersten Plätze im Ranking der „saubersten“ Versicherungen.
Ganz anders sieht das Verhalten der CS und UBS aus beim Engagement in Teersand und Fracking in den USA. Die NZZ am Sonntag wusste im Herbst 2019 zu berichten, dass gemäss „Initiative Bank Track“ die UBS im Zeitraum von 2016 bis 2018 Teersand-Minenbettreiber und –Pipelinebauer mit 166 Mio. $, die CS sogar mit 843 Mio. $ finanzierten. „Die beiden Grossbanken finanzierten zudem die Expansion der Fracker: So stellte ihnen die UBS über die drei vergangenen Jahre 1,7 Mrd. $ zur Verfügung, die CS rund 9 Mrd. $.“ Bei der UBS hiess es, man habe die Finanzierung von Firmen, die das Klima negativ belasten, stark zurückgefahren. Die CS betonte, man arbeite an Strategien, Kunden aus den betreffenden Sektoren bei Übergang zu einer kohlenstoffarmen und klimaschonenden Wirtschaft zu unterstützen. Was immer man darunter verstehen mag…
Widersprüchliche PR-Botschaften
Wie ernst es den Bankern mit ihren Lippenbekenntnissen ist, erlebten wir Ende 2019 beim Börsengang des weltweit grössten Ölunternehmens aus Saudiarabien, Saudi Aramco. Die CS, die den Börsengang begleitete, verdiente damit gemäss sonntagszeitung 100 Mio. $. Sich nachhaltig geben und gleichzeitig gutes Geld ungeachtet der Herkunft verdienen zu wollen ist ein Balanceakt der höheren Stufe. Profit kommt vor Nachhaltigkeit, immer noch, leider. Zu Recht moniert das Blatt, dass „das Ölgeschäft an sich und die Politik des Regimes in Riad im Speziellen wohl der Mehrzahl der 17 UNO-Nachhaltigkeitszielen widersprechen dürfte“.
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ruft nach Klärung. PR-Botschaften und tatsächliches Handeln der Konzerne stehen nach wie vor vielerorts in krassem Widerspruch. Sollte sich das nicht bald ändern, wird es wohl zu weiteren staatlichen Regulierungen kommen, was dann gewisse Kreise als „unnötige Einmischung, schädliche Regulierung“ bezeichnen werden. Schade, eigentlich: der Schweizer Finanzplatz könnte eine Vorreiterrolle der nachhaltigen Anlage ihrer Milliarden einnehmen und damit ein Geschäftsmodell der Zukunft aufbauen.
Besonders wichtig ist diesbezüglich das Verhalten der EZB und der Schweizerischen Nationalbank. Während die neue Chefin der EZB, Christine Lagarde, klarmachte, dass die Strategieüberprüfung für 2020 den Klimawandel berücksichtigen werde (und sie dafür von der NZZ heftig kritisiert wurde), scheint bei unserer Nationalbank noch das alte Denkmuster zu gelten, wonach sie ihre immensen Investitionen nicht nach diesen Kriterien auszurichten hätte. Bitteschön: die weltweite Klimaerwärmung ruft gebieterisch nach einem Umdenken!