Nachdem im Sommer 2010 die freisinnige Regierungsrätin des Kantons Zürich Ursula Gut eine „Anti-Dumping-Regelung“ bei den kantonalen Steuersätzen gefordert hat, ist quasi offiziell bestätigt, was für viele längst Gewissheit ist. Wer sich gegen den immer absurderen Steuerwettbewerb unter den Kantonen stemmt, braucht weder ein sturer Linker, noch ein Totengräber des schweizerischen Föderalismus zu sein. Und im Tiefststeuerkanton Schwyz hat die CVP festgestellt, dass „… die Gesamtrechnung für viele Menschen im Kanton Schwyz früher trotz höherer Steuern besser aussah.“ Beide Beispiele zeigen, dass bei ganzheitlicher Betrachtung die Jagd auf Superreiche und Grossverdiener durch die Kantone ein veritabler Anachronismus ist. Ein weiteres, desolates Paradebeispiel des unzeitgemässen und überholten Kantönligeistes und des falsch verstandenen Föderalismus. (Siehe dazu auch durchschaut! Nr. 17 vom 20.12.2009).
Am 28. November 2010 wird in der Schweiz über die Steuergerechtigkeits-Initiative abgestimmt. Wird sie angenommen, wäre davon 1% der Steuerpflichtigen betroffen. Auf sehr moderate Weise sollen wenigstens die Exzesse einer Entwicklung korrigiert werden, die der grossen Mehrheit der Bevölkerung unseres Landes schadet. Warum?
Am Beispiel aus meiner Region (ich wohne in Kilchberg am Zürichsee): Ein gut verdienender Verheirateter mit 300'000 Franken Arbeitseinkommen jährlich bezahlt in der Stadt Zürich 48'000 Franken an Kantons- und Gemeindesteuern. In Wollerau am Zürichsee (Kanton Schwyz) entrichtet er nur gerade mal 18'000 Franken. Die 15 Autominuten, die er täglich benötigt, um in die Stadt Zürich (wo er arbeitet) zu gelangen und die er wöchentlich mindestens 10x zurücklegt, nimmt er gerne in Kauf, ermöglicht ihm das doch, alle Dienstleistungen der Stadt, die hoch subventionierten Kultureinrichtungen und teuren Infrastrukturen zu nutzen. Stadt und Kanton Zürich bezahlen ihm diese Zentrumslasten.
Geradezu absurd ist das Steuerdumping in Obwalden, wo das oben zitierte Arbeitseinkommen noch tiefer belastet wird. Die Steuerausfälle der Obwaldner nach mehreren Steuersenkungen werden über den interkantonalen Finanzausgleich mitfinanziert – auch durch die Züricher.
Natürlich brächte die Annahme dieser Initiative eine minimale Einschränkung der Steuerautonomie der Kantone und Gemeinden, deshalb ist der Bundesrat dagegen. Schade, eine weitere verpasste Gelegenheit. Das sture Festhalten an einst sinnvollen, inzwischen pervertierten Systemen, hat diesen Bundesrat schon bei der falschen Beurteilung des Bankgeheimnisses ins Abseits geführt.
Und natürlich ist die wirtschaftliche Lobbyorganisation Economiesuisse gegen diese realitätsbezogene Initiative. Deren Ökonomen, die ihr Lehrbuchwissen über den wirtschaftlichen Wettbewerb schon immer etwas dogmatisch anwenden, preisen den Steuerwettbewerb aus rein ideologischen Gründen. Mit Verlaub: Wettbewerb, wenn es um Güter und Dienstleistungen geht, ist gut – doch dieser Steuerwettbewerb (wo es auch um Steuergeschenke an ausländische Milliardäre geht) kann auch zerstörerisch werden.
Vergessen wir bei der persönlichen Meinungsbildung nicht, dass der bestverdienende Schweizer Daniel Vasella (geschätzter Jahresverdienst bei der Novartis 40 Millionen Franken) seinen Wohnsitz von Binningen bei Basel nach Risch am Zugersee, wo er halb soviel Kantons- und Gemeindesteuern bezahlt verlegt und Marcel Ospelt (früher Chef der UBS) sein Bett nach Wollerau, Kanton Schwyz gezügelt hat. Vasella ist Mitglied des Vorstandsausschusses der Economiesuisse, Ospelt war es bis zum UBS-Debakel.
Nutzniesser bei der Annahme der Steuergerechtigkeits-Initiative wären die grossen Kantone, Land- und Gebirgskantone, alle Kantone mit grossen Zentrumslasten wie z.B. Genf, Basel, Bern, Zürich. Und, nicht wahr: Nicht jede Einschränkung kantonaler Hoheitsrechte ist ein Angriff auf den Schweizer Föderalismus. Dieser ist einmalig und segensreich, wenn er ab und zu von Altlasten gereinigt und den veränderten Bedingungen angepasst wird.