Es ist ein Déjà-vu: Offiziell akzeptieren alle – angesichts neuer, dringender Ausgaben – den grossen Spardruck bei den Bundesausgaben. Sobald aber die eigenen Interessen in den Fokus geraten, sieht plötzlich alles anders aus; jetzt ist man vehement dagegen. Doch was ist eigentlich mit Bundessubventionen, die zwar breit akzeptiert sind, sich aber als zu wenig wirksam oder gar kontraproduktiv auswirken?
Hintergrund
Zweifellos gibt es Spielraum für Kürzungen von Bundessubventionen. Diese sind zwischen 2014 und 2024 inflationsbereinigt um 29 Prozent gestiegen – im Vergleich zum Anstieg des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 18 Prozent. 2024 machten die Subventionen total 49 Mia. Franken aus, was rund 60 Prozent des Bundeshaushaltes entspricht (NZZ). Verschiedene Expertenteams haben sich deshalb mit dieser Problematik befasst, so u.a. die Expertengruppe Gaillard und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP). Dutzende von Kürzungs- respektive Sparvorschlägen wurden ausgearbeitet. Unterschieden wurde dabei, ob Zahlungen in der Vergangenheit einen ungenügenden Effekt hatten oder ob sie im Gegensatz zu anderen avisierten Zielen des Bundesrates stehen.
Fragwürdige Effizienz der Subventionen (gemäss IWP)
Als Beispiele diskussions- bis fragwürdiger Posten eruierten die Experten auf der Ausgabenseite beispielsweise:
– Die Zuschüsse an den Netzzuschlagsfonds und für das Gebäudeprogramm von 1,7 Mrd. CHF entfalten keine effiziente Wirkung.
– Die Zahlung an eine Immobilienstiftung für internationale Organisationen in Genf über 61 Mio. CHF ist nicht nachvollziehbar.
– Es ist nicht verständlich, warum die Filmindustrie mit 46 Mio. CHF subventioniert wird.
– Die Entsorgung von Rindfleisch mit Kosten von 49 Mio. CHF sollte nicht aus allgemeinen Steuermitteln, sondern von den Verursachern gezahlt werden.
Auf der Einnahmenseite wurden z.B. Steuererleichterungen oder Abgabenbefreiung im mehrstelligen Milliardenbereich eruiert, wobei aufgrund veralteter Daten die konkreten Beträge nicht angegeben werden konnten:
– Die Mehrwertsteuerreduktion für Hotelübernachtungen lässt sich aus wohlfahrtsökonomischer Sicht kaum rechtfertigen.
– Die Befreiung von Grossverbrauchern bei der CO2-Abgabe erschwert die Bildung eines einheitlichen, effizienten Preises für Treibhausgasemissionen.
– Der reduzierte Mehrwertsteuersatz auf Grundgüter ist eine Subvention nach dem Giesskannenprinzip. Eine Aufhebung des verminderten Satzes bei einer gleichzeitigen zielgerichteten Erhöhung von Sozialtransfers für tatsächlich Bedürftige und einer aufkommensneutralen, d.h. keine Kosten verursachenden Senkung des allgemeinen Mehrwertsteuersatzes erscheint effizienter.
– Die selektive Sonderregelung für Zirkusse oder Transporteure von offener Milch bei der Schwerverkehrsabgabe wirkt schwer begründbar.
– Die Befreiung von Mitgliedern der Nationalversammlung von der Wehrpflichtersatzabgabe ist nicht schlüssig.
– Die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer für Reisebüros oder Postkarten erscheinen prüfenswert.
Kontraproduktive Subventionen
Diverse Subventionen stehen in krassem Gegensatz zu begrüssenswerten staatlichen Zielen; sie haben negative Auswirkungen oder erzielen gar gegenteilige Effekte. Solche Subventionen können wirtschaftliche, soziale oder ökologische Schäden verursachen, anstatt die gewünschten positiven Ergebnisse zu bringen. Einige Beispiele aus dem Bereich Landwirtschaft (journal21 vom August 2022):
– Subventionen, die auf eine intensive Landwirtschaft abzielen, können zu Überproduktion, Bodendegradation und Verlust der Artenvielfalt führen.
– Subventionen für die Absatzförderung von Fleisch stehen im Widerspruch zu den Bundesbemühungen für eine Ernährung mit weniger Fleisch: Marktunterstützung Fleisch 3,7 Mio. CHF, Absatzförderung Fleisch/Eier 7,3 Mio. CHF und graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion 110,8 Mio. CHF.
– Die Rückerstattung der Mineralölsteuer in der Landwirtschaft beläuft sich auf 65 Mio. CHF.
– Die Einzelkulturbeiträge zur Versorgungssicherheit belaufen sich auf 59,6 Mio. CHF.
Im Blick war im Dezember 2024 zu lesen, dass der Bund 4,6 Mia. CHF Mehreinnahmen erzielen könnte, würde er alle Steuerrabatte streichen, die einen klimaschädigenden Effekt nach sich ziehen. Gemeint sind z.B.:
– Der Verzicht auf Mineralölsteuer und Mehrwertsteuer im internationalen Flugverkehr ist doppelt kontraproduktiv. Es entgehen Mehreinnahmen von 1,4 Mia. CHF jährlich, zudem hätte diese Massnahme wohl einen positiven Einfluss auf die Reduktion des Flugverkehrs und dadurch auf die CO2-Bilanz.
– Der Pendlerabzug ist natürlich kontraproduktiv: Ca. 1,7 Mia. CHF bekäme der Bund in die Kasse bei vollständiger Abschaffung des Abzugs, der für den profitierenden Autofahrer heute einem Geschenk von ca. 15 Rappen pro Kilometer gleichkommt.
Indirekte (Subventionierungs-)Kosten Grenzschutz
Nur am Rande sei in Erinnerung gerufen, dass die Steuerzahlenden, die letztlich alle Subventionen berappen müssen, auch beim Grenzschutz einheimischer landwirtschaftlicher Produkte zur Kasse gebeten werden. Die Kosten für diesen Grenzschutz belaufen sich auf rund 3'100 Mio. CHF – jährlich! Dadurch erhöhen sich die Verkaufspreise im Detailhandel für importierte Produkte (und viele beklagen sich über überhöhte Preise gegenüber dem Ausland).
Die politisch Verantwortlichen sind gefordert
Im IWP-Bericht äussert sich Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre: «Vor dem Hintergrund geopolitischer Bedrohungen, Klimawandel, Migration, von raschem Strukturwandel in der Weltwirtschaft, wachsender öffentlicher Verschuldung, innerer Sicherheit und vieler weiterer Herausforderungen gehören im Grunde genommen alle staatlichen Ausgaben auf den Prüfstand und bedürfen der Rechtfertigung. Dieser Bericht leistet einen wichtigen Beitrag.»
Auch wenn es zutreffen sollte, dass der Bundesrat Tausende von Seiten Post – den massiven Widerstand zu den Sparplänen bestätigend – erhielt, sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass Keller-Sutter recht hat, wenn sie präzisiert: «Man kann nicht von Sparen reden, wir reduzieren das Ausgabenwachstum. Dieses wächst bedeutend schneller als die Einnahmen.»