Die neudeutsche Bezeichnung Blackout für Stromausfall suggeriert „es wird schwarz“. Ein Kurzschluss mag dafür verantwortlich sein, oder auch ein Unwetter. Dass es auch in den Köpfen vieler „Energiepolitiker“ zu Blackouts kommt, hat jedoch ganz andere Gründe. Eine gewisse Verwandtschaft weisen die Wörter Blackout und Verlust auf. Tatsächlich können auch Bewusstsein oder Gedächtnis von einem solchen Blackout betroffen sein. Davon später.
Die Ausgangslage dieser Strom-Kolumne ist bekannt. Der Bundesrat hat die Energiewende, den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Viele Schweizerinnen und Schweizer unterstützen diesen Entscheid prinzipiell. Die Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen soll wahrgenommen werden. Auch die Tatsache, dass das Problem der Atomendlagerung – weder bei uns, noch anderswo – auch nur ansatzweise gelöst ist, mag im Hinterkopf mitgespielt haben.
Was heisst das für die Stromindustrie? Monopolartige Stromkonzerne, die während Jahrzehnten finanziell und wirtschaftlich ein beschauliches Dasein kannten, wurden auf dem falschen Fuss erwischt. Sozusagen über Nacht müssen sie sich von der bequemen Idee lösen, dass sie bestimmen, woher das Land sein Lebenselixier aus der Steckdose zu beziehen hat. Nachdem unsere grossen Stromkonzerne mehrheitlich dem Volk gehören und beredte Politiker (meist männlich und älteren Jahrgangs) in deren Verwaltungsräten und gleichzeitig im Bundeshaus in Bern sitzen, darf es niemanden wirklich überraschen, dass Ungemach entsteht. Die Eigentümer dieser Unternehmen haben CEOs und VR den Teppich unter den Füssen weggezogen. Unerhörtes ist geschehen: Eine Bundesrätin setzte sich gegen diese perfekt organisierte Übermacht durch und verkündete gleich noch: „Ich bin kein Sprachrohr von Economiesuisse“.
Genau zwei Jahre ist es her, seit die Energiewende in der Schweiz beschlossen wurde. Nach anfänglicher Schockstarre rappeln sich die Gegner dieses Beschlusses wieder auf. Sie wollen nicht kampflos zusehen, wie ihnen die Felle davonschwimmen. Konsumenten haben sogar ein gewisses Verständnis für diese Haltung. Wer verliert schon gern sein Monopol? Was nicht heissen will, dass die gleichen Konsumenten die flugs herbeigezauberten Angstkampagnen der Gegnerschaft nicht durchschauten.
Wie immer, wenn es um den Erhalt überholter Privilegien in der Schweizer Wirtschaft geht, ist Economiesuisse an vorderster Front im Einsatz. Allerdings untergräbt der Dachverband mit seiner Schwarzmalerei zur Energiewende die eigene Glaubwürdigkeit weiter. Das düstere Bild einer Zukunft der Schweiz mit einer Verdoppelung der Arbeitslosenquote und einem Rückgang des Bruttosozialprodukts als Folge des Atomausstiegs ist reine, primitive Panikmache. Sie ist auch das Produkt linearen Ingenieursdenkens, das ausblendet, dass das Zeitalter der Emergenz abrückt von der Machtvorstellung der Mathematik. Im Gefolge eines Paradigmawechsels in der Physik nehmen Sonne, Wind, Wasser eine neue Stellung ein. Damit einher geht ein Denkwende, der einigen offensichtlich schwer fällt.
Statt Geist, Geld und Zeit zu verschwenden, um aufzuzeigen, warum etwas nicht gehen soll, investieren wir diese Mittel dazu, einen wünschbaren Wechsel tatsächlich herbeizuführen! Wenn wir – Leserinnen und Leser, die hier weiter lesen – so weiter machen, wie bisher, schaffen wir die Wende tatsächlich nicht.
Wir sind uns einig, dass die dezentrale Stromversorgung mit erneuerbaren Energien grosse Anforderungen ans bestehende Stromnetz stellt (das nicht dafür eingerichtet ist). Auch einverstanden sind wir deshalb damit, dass ins Netz investiert werden muss. Lastregelung, Spannungshaltung und Netzstabilität werden komplexer und bedingen intelligente, ICT-gestützte Netze. Das Netz muss smart werden. Diese technischen Adaptionen stellen eine grosse Herausforderung dar, müssten aber lösbar sein. Sie ist gleichzeitig Quelle neuer Arbeitsplätze.
Seit anfangs 2013 gehört das 6700 Kilometer lange Schweizer Hochspannungsnetz der Swissgrid AG, die ihrerseits mehrheitlich im Besitz der Elektrokonzerne wie Alpiq, Axpo, BKW ist. Die Swissgrid schätzt den Investitionsbedarf für die nächsten 10 Jahre auf vorerst 2,8 Milliarden Franken. Statt die riesigen Investitionen unverzüglich und koordiniert anzugehen, versuchen die alten Aktionäre möglichst viel Geld aus dem Unternehmen herauszuziehen. Einen Strich durch die Rechnung hat ihnen zum Glück die Elcom (Regulierungsbehörde des Bundes für den Strommarkt) 2012 gemacht, als sie das durchsichtige Spielchen stoppte.
Die eigentliche Energiewende basiert auf einem ganzen Strauss technologischer „Erfindungen“, die unseren Stromverbrauch optimieren werden. Strom sparen ist dabei immer noch die billigste Weichenstellung auf dem Weg in die Energiezukunft. Doch Smart Grids sind auf dem Vormarsch. Sie steuern den Stromverbrauch mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien und sind allein schon dadurch in der Lage, den Stromverbrauch zu senken. Mit Smart Metern könne wir in unserem Haushalt für unsere Stromfresser den gleichen Effekt erzielen. Die neueste Generation von einigen Haushaltgeräten ist technologisch vorbildhaft. Sie verfügt über intelligente Sensoren, die ihrerseits einschalten, wenn Strom im Überfluss vorhanden ist oder ausschalten, wenn er zur Mangelware wird.
Es werde Licht! Wir sind gefordert. Zum Beispiel mit LED – dem Licht der Zukunft. Heute verbrauchen wir in der Schweiz 8,2 Milliarden Kilowattstunden Strom für die Beleuchtung. Dieser Verbrauch lässt sich halbieren, ohne Komforteinbusse. LED Lampen leuchten heller, dafür heizen sie nicht. Sie bieten ein enormes Sparpotenzial.
Wir brauchen auch zukünftig viel Energie – dass sie heute zu billig ist, auch darüber sind wir uns wohl mehrheitlich einig. Was zu billig ist, wird verschwendet. Alternative Energien sind im Vormarsch: Die Wind- und Solarstromproduktion steigt kontinuierlich, Erd- und Luftwärmepumpen haben einen eigentlichen Siegeszug beim Ersatz von Erdöl angetreten. Solarenergie nicht nur von Dächern, sondern aus beschichteten Fenstern und Hausfassaden zu gewinnen, ist bereits übers Experimentierstadium heraus.
„Die Energiepreise werden explodieren“, warnen gewisse Politiker. Die Rechnungsfehler, die seit Generationen die Diskussion beherrschen, sind jedoch längst erkannt. Beim billigen Atomstrom wird keine Vollkostenrechnung gemacht, Entsorgungskosten werden verdrängt, das Umweltgefährdungspotenzial schon gar nicht einkalkuliert. Die Risikoversicherung trägt der Steuerzahler. „Unsere Industrie ist auf billigen Strom angewiesen“, - wie billig würde er denn, aus einem neuen AKW? Lassen wir uns von der Propaganda nicht weisswaschen! Im Bewusstsein konservativer Politiker, die bereits heute Geld sammeln für das Referendum gegen den Atomausstieg, ist das Gedächtnis aus Eigeninteressen fixiert auf die Vergangenheit. Der Verlust eines generationenübergreifenden Verantwortungsbewusstseins ist traurig genug. Die Energiezukunft muss ohne sie Gestalt annehmen.
Der Kampf um Strom ist auch ein Kampf um Pfründe, Besitzstände, Macht und Monopole. Die Energiewende stellt einen gewaltigen Umbau unserer Gesellschaft dar. Dabei ist die Frage, ob wir alternative anstelle herkömmlicher Versorgung haben werden, längst entschieden.
Konsumentinnen und Konsumenten sind in der Zwickmühle: Sie mögen erkennen, dass sie etwas tun sollten. Doch gleichzeitig stellt sich Ernüchterung ein. Ihr Beitrag, ihr lokales Handeln, was kann das schon zur Energiewende beitragen? Wie wär‘s mit dem bewährten Mittelweg? Individuelle Denk- und Handlungsmöglichkeiten eröffnen ein grosses Spektrum an unspektakulären Taten zwischen hektischem Ökoaktivismus und bequemem Weiter-wie-bisher.