Der Begriff Basar steht ursprünglich für "Händlerviertel in orientalischen Städten." Wir alle freuen uns in den Ferien über den Lärm, das Gedränge, die unergründlichen Düfte und das exotische Angebot. Feilschen gehört zum fröhlichen Handelsgespräch. Schade, dass wir in der Schweiz nichts Gleichwertiges hätten, meinen Sie? Warum auch in die Ferne schweifen? Auf schweizerische Verhältnisse angepasst, würden wir Bazar allerdings etwas anders definieren. "Helvetischer Markt der Begehrlichkeiten im Bundeshaus" etwa. Hier ist der Lärm diskret, das Gedränge in den Wandelhallen unauffälliger, das Angebot weniger exotisch dafür explosiver.
In den letzten Jahren ist der Einfluss der Unternehmungen und Interessengruppen auf die Politik derart gewachsen, dass er die Demokratie zu ersticken droht. In den Ratssälen sitzen die entscheidungsbefugten Lobbyisten, in der Wandelhalle treiben sich die meinungsbildenden Wasserträger dieser Lobbyisten herum. Ob es um neue Importregeln, alte Bauernprivilegien, das verstaubte Verbot von Parallelimporten, die Korrektur überhöhter Pharmapreise, das Verkünden einer drohenden Versorgungslücke im Strommarkt oder den Baubeginn des neuen AKWs geht, immer finden sich wechselnde Seilschaften, um diesen Minderheitsanliegen zum Durchbruch zu verhelfen. Ein aktuelles Beispiel: Die Minderheit der Gebirgskantone (genannt "Alpen-Opec", 13% der Bevölkerung) will die Wasserzinsen um jährlich 90 Mio. Franken erhöhen, ein Teuerungsschub, der die durchschnittliche Teuerung weit übertrifft. Dazu gehen sie auch schon mal eine Koalition mit den Unterländern ein. Im Gegenzug halten die Vertreter der Wasserkantone bei der Atomkraftfrage still. Der Geschäftsführer der Axpo treuherzig: "Die Gebirgskantone haben uns frühzeitig kontaktiert, um ihre Anliegen zu diskutieren." Doch am offensichtlichsten funktioniert die Bauern-Lobby (darüber mehr im durchschaut! Nr. 11 vom 16. August 2009). Die Pfründenwirtschaft dauert an, wenn auch unter anderen Vorzeichen als im Mittelalter. Geblieben ist die Definition für Pfründe: gute Einnahmequelle.
Diese schweizerische Spezialität der Pfründebewirtschaftung mit historischem Hintergrund (2. Weltkrieg) beruhte einst auf drei Säulen: Lobbying, abgeschottete Grenzen, Kartelle. Am Beispiel Lebensmittel gezeigt: Die abgeschotteten Grenzen haben dazu geführt, dass die Produzenten schweizerischer Spezialitäten sich in der komfortablen Situation sahen, in der Schweiz ihre Produkte zu überhöhten Preisen anbieten zu können, ohne durch lästige Import-Konkurrenz bedrängt zu werden. In den Kartell-Organisationen wurden die Verkaufspreise abgesprochen und wehe, wenn ein quirliger Hersteller dagegen verstiess. Ihm drohten Sanktionen der gröberen Art. Wohl vielen im Land noch in Erinnerung sind die 16 (!) Bankenkartelle, die u.a. die Hypothekarzinsen nach Belieben manipulierten oder, noch spektakulärer, das von Karl Schweri (DENNER) über Jahre bekämpfte Bierkartell. Kartelle sind heute offiziell verboten und die heimlichen Ersatzkonstruktionen arbeiten diskret und vorsichtig im Hintergrund. Auch die Abschottung der Grenze wird löchrig, noch werden die letzten Bastionen hartnäckig verteidigt. Genützt haben weder Kartelle, noch Grenzblockaden der Mehrzahl der Schweizer KMU-Food-Produzenten und ihren guten Marken. Sie verpassten den Anschluss an die Zeit, die Exportförderung und die Entwicklung schlanker Logistikstrukturen. Einer nach dem anderen wurde vom grösseren Konkurrenten "geschnappt" bis der Grösste der Schweiz einem ausländischen Konzern einverleibt wurde. Es lassen grüssen: Baer, Wernli, Eichhof, Kägi-Fret, Roland, Henniez, Hürlimann, Ovomaltine usw. Was sich als Trümmerreste einstiger Pfründe bis heute hartnäckig über Wasser hält sind die undurchsichtigen Agitationen der Lobby-Strippenzieher in Bundes-Bern.
In den USA geht ein neuer Präsident (BO) daran, den grassierenden Einfluss der Wirtschaftslobby in Washington aus der Ära des Superkapitalismus (GWB) zu bändigen. Dort waren zuletzt 36'000 bezahlte Interessenvertreter und 70'000 Anwälte der Wirtschaft hinter den Kulissen am "Politisieren." Wie viele es in der Schweiz sind und wer hier die Aufgabe der Zähmung übernimmt ist im Moment unklar.
Nicht vergessen werden sollte bei diesen filzigen Entwicklungen eines: Das stark geschwundene Vertrauen der breiten Bevölkerung in eine solchermassen wirtschafts- und interessengeprägte Bundespolitik widerspiegelt sich in den unrühmlich tiefen Stimmbeteiligungen in der direktesten Demokratie der Welt.