Schwarzmaler werden nicht müde, angesichts der Auswirkungen der Globalisierung und Digitalisierung auf die heutige Arbeitswelt vor drastischen Stellenverlusten, einem eigentlichen Berufssterben und zunehmender Arbeitslosigkeit zu warnen. Doch, wie schon bei der Industrialisierung zu Beginn des 18. Jahrhunderts – als ähnliche Befürchtungen die Runde machten – sieht die reale Wirklichkeit etwas anders aus: Ein eigentlicher Job-Boom steht erst am Anfang.
Sinkende Arbeitslosigkeit
Es ist der Economist, der diese Thesen zu Papier bringt: „Für zwei Drittel der OECD-Länder (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit 36 Mitgliedstaaten, darunter die Schweiz) ist die Beschäftigungsrate der Gruppe der 15 – 64-jährigen rekordhoch. In Japan, Britannien, Deutschland, ja sogar in Frankreich, Spanien und Italien – wo die Arbeitslosigkeit noch immer hoch ist – sind, als Beispiele, die Beschäftigungsraten im Steigen.
Teils ist dieser Trend die Folge zyklischer Massnahmen der Regierungen seit der grossen Rezession 2007/2008. Doch nicht nur: Überall wird die Bevölkerung besser aus- und gebildet, Internet-Seiten (insbesondere von spezialisierten Start-ups) werden immer effizienter und erfolgreicher in der Vermittlung zwischen Arbeitssuchenden und offenen Stellen. Und vor allem: Der Anteil der Frauen im Arbeitsprozess steigt und steigt seit über zehn Jahren kontinuierlich an. In den USA ist die Arbeitslosenrate auf rekordtiefe 3,6% gesunken, der tiefste Wert in einem halben Jahrhundert.“
In der Schweiz verzeichneten wir im Mai 2019 eine Arbeitslosenrate von 2,3% gegenüber April mit 2,4%, was einem Rückgang von 7,8% gegenüber dem Vorjahresmonat gleichkommt (SECO). Allerdings gilt es zu beachten, dass die SECO-Zahlen nicht eins zu eins vergleichbar sind mit den OECD-Erwerbslosenzahlen, da diese nur die von den regionalen RAV betroffenen Personen umfassen, während jene alle Personen erfassen, die keine Arbeit haben. Gemessen am OECD-Index liegt die Schweiz da bei 4,4 Prozent – also wesentlich höher als uns das SECO wissen lässt. Wir sind also keine Musterschüler – die USA, Deutschland, die Niederlande oder Japan weisen alle Quoten auf von unter 4,0 Prozent.
Vor- und Nachteile der Globalisierung
Blenden wir kurz zurück. Die Globalisierung drückt seit bald 50 Jahren dem Welthandel seinen Stempel auf. Als direkte Folge ist ein respektabler Anstieg des weltweiten Wohlstands zu verzeichnen. Mit der internationalen Arbeitsteilung hat sich dieser Aspekt des grenzüberschreitenden Handels als schlagendes Instrument der weltweiten Armutsbekämpfung ohne staatliche Zwangsmassnahmen erwiesen.
Ebenso evident ist es geworden, dass diese Globalisierung auch Verlierer hinterlassen hat. Besonders aus den USA sind die traurigen Geschichten bekannt, wo – als Folge der Auslagerung der Industrieproduktion in Billiglohnländer – ganze Landstriche als „Abgehängte“ zurückgeblieben sind.
Kurzfristige Strategien
Seit mit Präsident Donald Trump ein dubioser Verfechter des Protektionismus anstelle internationaler Kooperation angetreten ist, wird nationaler Protektionismus nicht nur salonfähig, er streut Sand in die Augen jener, die darin kurzfristig einen nationalen Vorteil sehen. In der ersten Phase dieser rückwärtsgerichteten Einstellung wird ja tatsächlich Arbeit „zurückgeholt“ – die Arbeitslosenraten sinken (siehe oben). Doch in der zweiten Phase beginnen sich dann die ignorierten Nachteile dieses populistischen Verhaltens zu akzentuieren. Aus den USA wissen wir, dass die „bestraften“ Länder (wie China) natürlich reagieren – wie du mir, so ich dir – und ihrerseits Strafzölle verordnen. Die Folge: Präsident Trump muss inzwischen seinen dadurch betroffenen Landsleuten (in erster Linie die Farmer, jedoch auch andere Industriezweige) mit massiven neuen, zusätzlichen Subventionen unter die Arme greifen, damit sie überleben. Eine wenig weitsichtige und schon gar keine nachhaltige Schuldenstrategie, die Donald Trump offensichtlich überhaupt nicht beunruhigt.
Politisch motivierte Klagelieder neben der Realität
Kehren wir zurück zum Hauptthema der neuen Berufe. Angesichts steigender Beschäftigungszahlen sind die Klagelieder über grassierende Arbeitslosigkeit vielerorts verstummt. Neuerdings richtet sich deshalb die Kritik an der Globalisierung darauf, dass die fortschreitende Automatisierung, „Roboterisierung“ und Digitalisierung herkömmliche Berufe zerstörten, vor allem solche in tiefen Lohnklassen. Es tönt dann so: „Unser Arbeitsmarkt wird zu einem Meer von Unsicherheit“ (Economist).
Doch auch diese Klagen werden durch die Realität widerlegt. Zwar haben über die Jahre Maschinen tatsächlich viele handwerkliche Arbeiten verdrängt. In den OECD-Ländern ist jedoch weit und breit keine Job-Apokalypse festzustellen. Effektiv ist gegenüber dem Jahr 2000 die Anzahl Berufstätiger mit einer tiefen – oder gar fehlender – Ausbildung kontinuierlich im Steigen begriffen. Die Arbeitsmarktstruktur verändert sich rasch, Dienstleistungs-Jobs boomen. Vor allem die Gig-Economy - gemeint sind damit die relativ kleinen Aufträge, die kurzfristig an selbständig Erwerbende, Freiberufler oder nur Teil-Beschäftigte vergeben werden – trägt wesentlich dazu bei, wie oben erwähnt wird diese Tätigkeit über Online-Plattformen abgewickelt.
Es ist eine Tatsache, dass repetitive Tätigkeiten früher oder später durch Computer oder Roboter ersetzt werden. Traditionelle Sekretärinnen-Jobs „mutieren“ zu „Arbeiten zu Hause“, was die oft schwierige Situation für arbeitende Eltern erleichtert. Neue Berufe für top-ausgebildete Menschen entstehen zusätzlich. Erfreulicherweise steigen aber am tieferen Ende der Lohnskala auch die Minimallöhne. So bleibt schliesslich die nüchterne Diagnose, dass in vielen Ländern die tiefen Löhne unterhalb des „Zwei-Drittel-Medians“ schlicht rückläufig sind.
Kooperative Lösungen
Diese kurze Aufzählung erhärtet einmal mehr die These, wonach ideologische Kritiken am Fortschritt, am Kapitalismus, an der Globalisierung insgesamt, das Ziel weitgehend verfehlen. Die Realität sieht anders aus. Somit tun wohl linke und rechte Hardliner-Politiker und Politikerinnen gut daran, sich zusammenzuraufen und gemeinsam eine ausgeglichene Balance zwischen freiem Markt und Staatsinterventionen auszuhandeln.