In den vergangenen Wochen sind von Griechenland aus Schockwellen in alle Richtungen ausgegangen. Das Wort „Staatsbankrott“ geisterte plötzlich durch die Medien, nachdem sich noch kurze Zeit zuvor Anleger aus aller Welt auf die hochverzinslichen griechischen Staatspapiere gestürzt hatten, der weit verbreiteten Meinung folgend, dass ein Staat nicht Pleite gehen könne. Wie konnte das kleine Griechenland mit nur 2.6% Anteil am Euro-GDP sozusagen über Nacht den grössten Wirtschaftsmarkt (EU) gefährden?
Dafür gibt es drei (gemäss Economist) Erkenntnisse: Die erste ist ökonomisch begründbar. Nachdem die griechische Regierung über längere Zeit die „Staatsbilanz“ gefälscht hatte und dies schlussendlich zugeben musste, war guter Rat teuer. Zuwenig Steuereinnahmen und Exporte stehen am Anfang der Misere. Da die Landeswährung (eben der €) nicht abgewertet werden kann, wie in früheren Zeiten „alte“ Landeswährungen, ist das Debakel total. Das Beunruhigende an dieser Geschichte: Auch Portugal, Spanien, Italien haben sehr ähnliche Probleme, sind jedoch bedeutend grösser als Griechenland („too big to save“?).
Der zweite Grund ist politischer Natur. Es dauerte viel zu lange, bis sich die EU-Leader auf ein Rettungspaket einigen konnten, in dieser Zeit griff die Verunsicherung täglich um sich. Diese ökonomischen und politischen Fehler führen zur dritten Warnung: Über Nacht könnten griechische Banken Pleite gehen, auch andere Euro-Länder könnten vom globalen Kapitalmarkt abgeschnitten werden (wenn das Vertrauen wegbricht), Chaos auf den Kapitalmärkten wäre programmiert. Sowohl die chronischen Schuldner-Länder, als auch die EU-Verantwortlichen müssen innert kurzer Zeit beweisen, dass sie die notwendigen Konsequenzen durchziehen – die Fragezeichen in Griechenland und der Euro-Zone sind unübersehbar.
Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass uns in den nächsten Jahren grosse finanzpolitische Kämpfe bevorstehen. Vorerst haben die Euroländer ihre eigenen Banken gerettet, die auf grossen Darlehen in Griechenland sitzen. Und wie immer in letzter Zeit wurde diese Rettung durch Neuverschuldung ermöglicht. Der Schneeball wird bergabwärts gestossen und dabei immer grösser, bis er platzt. Doch aus Erfahrung wissen wir, dass bei Staatsbankrotten früher oder später ein „Haircut“ nötig wurde: Gläubigerbanken und Investmentfonds mussten auf substanzielle Schuldenrückzahlungen verzichten. Die Lehre, die daraus gezogen werden kann lautet: Mit dem gegenwärtigen Vor-Sich-Her-Schieben des Problems wird dieses nicht kleiner sondern grösser. Die Regierungs-Verantwortlichen drücken sich um Entscheidungen mit harten Konsequenzen, ihrem Wahlvolk und ihren Bankinstituten zuliebe.
Staatsschulden aber sind tickende Zeitbomben. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich BIZ schätzt, dass das Verhältnis von Schulden zum BIP bis 2020 vor allem wegen der alternden Bevölkerungen für Japan auf 300% (heute 197%), für Grossbritannien auf 200% (heute 94%) und für die USA, Frankreich, Belgien, Italien, Griechenland, Irland auf 150% steigen wird. Diese Entwicklung ist nicht finanzierbar, die Schuldzinsen unbezahlbar, da ein immer grösserer Anteil der wirtschaftlichen Leistung vom Schuldendienst beansprucht wird. Wer also in Staatspapiere investiert und dabei von Sicherheit träumt, könnte eines Tages ein böses Erwachen haben. Einmal mehr gilt deshalb die alte Devise, die richtigen Fragen rechzeitig zu stellen. (Schweiz 2008: Schuldenquote 41% des BIP).
Das Spielen auf Zeitgewinn der Regierungen ist vergleichbar mit Feuerwehrübungen: Je öfter das Argument der Ausnahmesituation, die solche Interventionen erfordern, strapaziert wird, desto unglaubwürdiger wirken sie. Nur wenn man gleichzeitig bereit wäre, die ursächlichen Probleme radikal, von der Wurzel her zu Ende zu denken und sie zu lösen, wäre ein solches Handeln eventuell vertretbar. Man könnte dann kaum die Augen vor der Einsicht verschliessen, dass es im Falle Griechenlands und anderer Länder im Süden des Kontinents auf Dauer nicht ohne Umschuldung gehen wird (NZZ).
Uns in der Schweiz gehe das alles nichts an? Schweizer Banken sind allein in Griechenland mit 64 Milliarden Dollars in Staatspapieren engagiert.