Nach wie vor vernehmen wir aus dem Bundeshaus in Bern lautes Schweigen zum Thema der zu hohen Zuwanderung. Das ist Führungsschwäche. Das Wohlergehen der Wirtschaft und jenes der Gesellschaft driften auseinander. Haupttreiber dieser Entwicklung ist mit einem Anteil von zwei Dritteln an der Zuwanderung die Wirtschaft (nicht der Asylbereich). Geht das ungebremst so weiter, punktet nur die SVP mit ihrer reisserischen Werbung (z. B. «Sie haben die Wahl: Freiheit oder Unterwerfung»). Die anderen politischen Parteien und die Wirtschaft sind gefordert.
Wir hätten es in der Hand
Es geht uns gut, erfreulicherweise! Wir verdienen so viel, dass sich daraus leider die Tendenz entwickelt hat, dass viele Arbeitnehmende nicht mehr 100 Prozent arbeiten und privat – wo das möglich ist – sozusagen die Viertagewoche eingeführt haben. Schon diese Entwicklung führt dazu, dass die Arbeitsplatzvakanzen mit neuem Personal besetzt werden müssen.
Seit einigen Jahren ist das US-Online-Portal Airbnb (Umsatz weltweit 10 Mrd. USD) auch in der Schweiz aktiv und vermietet Wohnungen, primär wohl für Ferienzwecke. Die Idee ist auch in unserem Land auf grosses Interesse gestossen. Allerdings: Viele Wohnungen werden dem Wohnungsmarkt entzogen, da mit Airbnb ein wesentlich höherer Mietertrag erzielt werden kann.
Auch das als geniale Lösung gegen überhöhte Mieten angepriesene System der behördlichen Mietzinsregulierung (inkl. Schlichtungsstellen) hat sich als effizienter Beschleunigungsfaktor des Wohnungsmangels erwiesen: Viele Mietparteien verlassen ihre zu grosse Wohnung nicht – deren Mietzins vom Vermieter nicht erhöht werden darf (obwohl das längst angezeigt wäre) –zugunsten einer kleineren Neubauwohnung, da diese wesentlich teurer ist als jene, die sie aktuell bewohnen.
Neuerdings lesen wir in Zusammenhang mit der medialen Berichterstattung zu den im Herbst 2025 noch unbesetzten, tausenden offenen Lehrstellen, dass sich Jugendliche mit dem Anspruch melden, nur vier Tage pro Woche arbeiten zu wollen.
Immer öfter lassen sich verheiratete Paare scheiden. Je nach Statistik beläuft sich die Scheidungsquote auf 40–50 Prozent. Sich scheiden zu lassen ist ja gesellschaftlicher Alltag. Doch was heisst das in Zusammenhang mit der vielbeklagten Wohnungsnot? Plötzlich sind zwei statt einer Wohnung nachgefragt. Man spricht nicht darüber, doch die realen Auswirkungen dieses gesellschaftlichen Trends machen sich eben auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar: Die Personenschlangen vor Wohnungen, deren Besichtigungstermin publiziert wurde, sind unerträglich lang. Die Chancen der Interessierten entsprechend gering.
Der grosse Widerspruch
Wie die Vergangenheit zeigt, rufen wir jährlich zehntausende von Menschen in unser Land, um den gewohnten Lebensstil in Ruhe weiterführen zu können. Genauer gesagt, rekrutiert unsere Wirtschaft diese Menschen im Ausland, weil sie in der Schweiz nicht fündig wird. Dabei befeuern wir die Rückkoppelungseffekte dieser Situation: Jede neuzuziehende Person trägt dazu bei, dass sie wiederum Infrastrukturen und Dienstleistungen beansprucht, was dann seinerseits zu neuen Personalrekrutierungen führt. Vom staatlich bewilligten Familiennachzug nicht zu reden.
Das Beispiel eines städtischen Spitals: Die Mehrzahl des Personals inklusive Ärzten kommt aus dem Ausland. Alle diese Menschen fragen ihrerseits Dienstleistungen der Spitäler nach. Die Endlosschlaufe dreht sich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Notfallstationen der Spitäler täglich von Menschen mit Migrationshintergrund gestürmt und belagert werden, die dort gar nicht hingehören. Sehr oft kommen sie – nicht selten im ganzen Familienverbund – wegen Bagatellfällen. Entsprechend wird Personal unnötigerweise absorbiert und fehlt anderswo – tagtäglich.
Problematische Medienberichte
Das Problem wird verschärft durch Medienberichte, die tendenziös, unsachlich oder parteipolitisch motiviert sind. Wenn gut zwei Drittel der eingewanderten Menschen von der Wirtschaft händeringend gerufen wurden (es fehlen zurzeit gemäss NZZ in der Schweiz rund 460'000 Arbeitskräfte), dann trägt es wenig zur Problemlösung bei, wenn z.B. Chefredaktoren ganzseitige Kampagnen gegen die Migrationspolitik unserer Regierung fahren und dabei Deutschland als Vorbild präsentieren. Wenn die Migration tatsächlich den Zusammenhalt der Gesellschaft zerstört, ist das Thema wichtig genug, um seriös angegangen zu werden und nicht mit Schlagworten wie «Deutschland ist inzwischen aufgewacht» (NZZ) für Eigenwerbung missbraucht zu werden.
Den Blick für das Ganze nicht verlieren
Die Situation ist angespannt. Betroffene oder benachteiligte Menschen in unserem Land, die seit Monaten verzweifelt eine bezahlbare Wohnung suchen, werden nur allzu oft Opfer jener Politiker, die ihnen die schnelle Lösung aller Probleme versprechen. Wollen wir nicht, dass auch in unserem Land die Rechtsaussenkräfte laufend zulegen und schliesslich Regierungen beeinflussen oder dominieren, müssen wir – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – zusammen nach Lösungen suchen.
Den schwarzen Peter dem Bundesrat, den Wirtschaftschefs oder der verwöhnten Gesellschaft zuzuschieben, bringt gar nichts, im Gegenteil. Wir müssen akzeptieren, dass die Schweiz durch unsere Wirtschaft wohlhabend geworden ist. Diese floriert dank Cleverness und – Zuwanderung. Von 1981 bis 2006 stieg die Nettozuwanderung von 27'000 auf 67'000 Personen jährlich, auch dank der Personenfreizügigkeit mit der EU. Zugegeben, Lösungen sind nicht einfach, doch steht am Anfang das Wissen über diese Zusammenhänge.
Zusammenstehen
Ehrlicherweise müssen wir uns eingestehen, dass ein wesentlicher Teil der Wohnungsnot nicht auf fehlende Neubauwohnungen zurückzuführen ist, sondern durch unsere gesellschaftlichen Gewohnheiten befeuert wird. Solange wir Schweizerinnen und Schweizer uns, was die angespannte Situation betrifft, gegenseitig laufend mit Vorwürfen und Schuldzuweisungen eindecken, kommen wir aber auch nicht weiter.
Ein Vorschlag, wie es weitergehen könnte: Vertreter der politischen Parteien und der Wirtschaft beteiligen sich mit finanziellen und personellen Mitteln an einer gemeinsamen Findungskommission (z.B. «Gesellschaft 2035»), um unkonventionelle Lösungsideen zu entwickeln und ihrer sozialen Verantwortung gerecht zu werden. Und wir Frauen und Männer, was könnte unser Beitrag sein? Ein bisschen mehr arbeiten? Unerhörte Idee?