Das Neue, das Offene
Die offene Bildform - gewissermassen als Metapher einer offenen Gesellschaft - suggeriert das philosophische "Nicht wissen". Aus der unvoreingenommenen Betrachtung verschiedener Ansichten, Meinungen oder Konzepte entsteht das Neue, von dem anfänglich nicht bekannt ist, ob es genügen wird und schon gar nicht, ob es richtig sein wird.
"Nicht die Fassade der Dinge, sondern ihre geheime Struktur" (Pablo Picasso) beschäftigt uns. Dabei wird von Zollinger das Durchscheinende, das dahinter Liegende intuitiv erfasst und schwebt zeitlos im fliessenden Raum. Mit der Überwindung des Raums und der perspektivischen Sicht zerbricht das nur Systematische, der rational geprägte Systemzwang und es entsteht eine neue (chaotische) Dynamik. Es gibt keine gegenständliche Vorsätzlichkeit mehr. Diese Transparenz als künstlerisch interpretierte Empfindung einer dringenden Neuausrichtung in unserer Zeit ist das Medium zwischen Maler, Bild und Betrachtenden. Sie ist gleichbedeutend mit frei und offen sein, etwas finden.
Bei allen Formaten der letzten drei Jahre entwickeln sich mehrere Rechtecke übereinander platziert im fliessenden Raum; dies bewirkt eine Entgrenzung im Sinne des Grenzen überwindenden Anliegens einer sich öffnenden modernen Gesellschaft.
Durch das Auftragen mehrerer Bildschichten entsteht aus den ursprünglichen Anfängen graduell ein "darüber liegendes" mehrwertiges Konzept. Das luzide Verschmelzen einzelner Formen zur ganzheitlichen Erfahrung findet ihre Parallele im integralen Verständnis der Gegenwart: aus einer Fülle temporärer Bilder oder Ideen, entwickelt sich das Ganzheitliche.
Bei den grössten Leinwänden verbindet diese Transparenz auch Zeit und Raum: Hindernisse zwischen Publikum und Werk werden ausgeräumt, das Trennende wird zum Umfassenden, "… das Bild lebt in der Verbundenheit mit dem Menschen, verändert sich in den Augen des empfindsamen Betrachters - und es stirbt durch ihn" (Mark Rothko).
Der Prozess, das Projekt
Der malerische Prozess fasziniert Chris Zollinger. Der Vorgang des wiederholten Übermalens nicht fixierter farblicher Gebilde führt zu immer neuen Bildern, von denen der Maler ursprünglich nicht weiss, ob sie befriedigen. Dieser Arbeit, die stark von Mark Rothko und auch von Schweizer Künstler Peter Stein beeinflusst ist, findet ihre Entsprechung in der persönlichen Auffassung des Kreativen: Ob in der Wirtschaft, der Politik oder im Alltag entstehen die "Lösungen" erst durch Zusammenfügen unterschiedlicher Ideen zu einem ganzheitlichen Konzept. Nicht das "Abbilden" des Offensichtlichen (einer Figur oder Landschaft, eines Objekts), nicht das Darstellen einer Szene ist hier also das Ziel, sondern die Transparenz zum Hintergründigen. Die zeichnerische und malerische Grundausbildung erfuhr Zollinger beim Kunstmaler und Bildhauer Raphael Doria, Zürich.
Beziehung statt Darstellung
Immer wieder wird Chris Zollinger gefragt, was seine Bilder darstellten. "Nichts" ist seine Antwort. Sie stellen nichts dar. Er will ein Gemälde auch nicht erklären - es entstand aus einer sehr persönlichen intensiven Beziehung zwischen dem sich Entwickelnden auf der Leinwand und ihm als Herausforderer.
Auch wenn zu Beginn des Malprozesses, beim Auftragen der ersten Farbschicht ein "Konzept" besteht, ist dessen Überleben nicht gesichert. Der "Dialog" zwischen werdendem Werk und Ausführendem verändert graduell Wahrnehmung und Eindruck. Im unmittelbaren Austausch entsteht das Werk, nachdem sich die gegenseitige Beeinflussung im fliessenden Licht und in nuancierten Farbtönen immer mehr ausgeprägt hat.
An dieser Stelle sind der und die Betrachtende gefordert. Er oder sie, beide entwickeln mit der Zeit eine neue Sicht der Dinge. Das Bild beginnt zu leben, es entfalten sich die Farbnuancen und Strukturen. Damit entsteht eine sinnliche Beziehung. Somit ist auch die Perzeption des Betrachtenden keineswegs uniform.
Diese Beziehung allerdings, die ist sehr persönlich und subtil. Sie ist Ausdruck des einfühlsamen Betrachters, der offen ist für das Neue, Unerwartete, Spontane.
Zollinger wagt zu behaupten, dass erst nach Monaten ein Bild - aufgehängt in passender Nachbarschaft - seine geheimnisvolle Botschaft voll entwickelt.
Sätze
Veränderungsprozesse, das Neue, das Offene
Veränderungsprozesse in der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik faszinieren Chris Zollinger seit Jahrzehnten. So sehr, dass er diesen permanenten Wandel zu seinem Beruf gemacht hat. Seit 1981 berät er Unternehmen, entwickelt für sie neue Konzepte, hilft ihnen, beim Umbruch ganz vorne mit dabei zu sein. Dass Ökonomie und Politik eng verbunden und die politischen Rahmenbedingungen in unserem Land zu konservativ ausgestaltet sind, beschäftigt Zollinger. Schon 1991 plädierte er für die Öffnung unseres Landes und seither beteiligt er sich intensiv an der Debatte Schweiz/Europa. Zwei Bücher "Die Glaskugel-Gesellschaft - Transparenz als Schlüssel zur Moderne" (2002) und "Die Debatte läuft - Ganzheitliche Thesen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik" (2005) sind Zeugnis seines Wunsches, weitere Kreise der Gesellschaft über die Hintergründe der politischen Blockaden und der wirtschaftlichen Exzesse zu informieren. Immer wieder sind in den Printmedien Spuren seiner Debattierfreudigkeit zu finden.
An seinem Wohnort Kilchberg steht die politische Aktivität im Fokus. Als Gemeinderat von 1994 - 2002, seither als Koordinator der Vereinigung der Parteilosen Kilchberg hat er aktiv Veränderungsprozesse initiiert und gestaltet. Er drängt dabei auf grössere Transparenz der kommunalen Prozesse und bessere Wahrnehmung der Bürgerwünsche. Unter dem Pseudonym Libero schliesslich schrieb Zollinger während 22 Jahren im Kilchberger Gemeindeblatt zu aktuellen Themen der Zeit, auch hier einem liberalen Gedankengut verpflichtet.