Vor einem Jahr wurde an dieser Stelle (durchschaut! Nr. 3) der Mythos Schweizer „Bankgeheimnis“ als Überbleibsel provinzieller Politik beschrieben. Inzwischen ist unser Land von den Tatsachen eingeholt worden. Das alte Bankgeheimnis existiert nicht mehr. Doch obwohl eine klare Mehrzahl der Bevölkerung das inzwischen realisiert und eingesehen hat (Steuerhinterziehung ist de facto Steuerbetrug), versuchen nach wie vor einige unbelehrbare Politiker, Banker und Journalisten, mit kläglichen Rückzugsgefechten zu retten, was doch nicht zu retten ist. Dass der Bundesrat unter Federführung des Finanzvorstands Hand dazu bietet, ist traurig, doch auch innerhalb dieses „Führungs-Gremiums“ zeichnet sich vereinzelt neues Denken ab. Eines ist klar: Weder die USA, noch die EU werden auf weitere Kuhhändel (wie Abgeltungssteuer) eingehen, zu fadenscheinig sind die helvetischen Begründungen. Derweil nimmt das Image unseres Landes im Ausland weiter Schaden und mit jeder neuen, gestohlenen Daten-CD, die irgendwo in unseren Nachbarländern auftaucht, wird das Ausmass der in der Schweiz geparkten und so diesen nationalen Steuerbehörden verschwiegenen Milliarden-Beträge sichtbarer.
Hochinteressant und entlarvend gleichzeitig sind die Reaktionen auf dieses Trauerspiel in den Printmedien. Die gute, alte NZZ (früher ein Qualitätsblatt) wird nicht müde, eine inzwischen untergegangene Weltsicht starrsinnig zu verteidigen. Da wird vom eigentlichen Skandal abgelenkt und etwa von „Fataler Geringschätzung der Privatsphäre“ (Gerhard Schwarz), oder von „Schwarzgeld in der Schweiz – Folge einer deutschen Misere“ geschrieben, während der Direktor der Denkfabrik Avenir Suisse immerhin die historische Binsenwahrheit des „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ eingesteht und von einem „Hauch von Endspiel“ jammert. Pikantes Detail: Nachfolger eben dieses Direktors wird Gerhard Schwarz, bisher neoliberaler Vordenker der NZZ und Autor des zitierten Beitrags.
Der Meinungsjournalismus – Journalisten geben ihre persönliche Meinung zum Besten, anstatt ihre Leserschaft kompetent zu informieren – ist ebenso überholt wie das Bankgeheimnis. Mündige Leserinnen und Leser möchten professionell orientiert werden, etwa wie das im „Economist“ seit Jahren sehr erfolgreich und ohne Auflagenschwund gemacht wird. Für persönliche Meinungen haben „Kolumnen“ in Printmedien oder im Internet nach wie vor Platz.
Inzwischen ist eine neue Runde im „Sand-in-den-Kopf-stecken-Spiel“ unserer Regierung eingeläutet worden. An der jüngsten Pressekonferenz von Bundesrat Rudolf Merz zu hören «…es darf keine unversteuerten Gelder mehr geben auf Schweizer Banken.» Soviel Naivität ist nicht mehr zu überbieten. Nachdem man bisher den Vorwurf hörte, die Schweiz handle konfus und konzeptlos auf den Druck aus dem Ausland, herrscht jetzt im Land weit verbreitete Ratlosigkeit. Der geschwätzige Bundesrat, der seit über einem Jahr nichts-sagend auftritt, ist nur noch eine Peinlichkeit für viele Schweizerinnen und Schweizer.
Die Abgeltungssteuer, die Merz im Verbund mit den Banken unseren Nachbarländern vorschlägt, ist kein Lösungsansatz. Die Banken wollen so verhindern, dass sich die Schweiz bewegt und „ihr“ Bundesrat ist dabei der verlässliche Freund, Helfer und willfähriger Handlanger. Das wird nicht funktionieren und einmal mehr wird sich das ganze Land blamieren. Derweil liegen von prominenter Seite seit Monaten Lösungsvorschläge auf dem Tisch. Anstelle der verbalen Kraftmeierei aus dem Bundeshaus, der kurzsichtigen Obstruktion aus der rechten Ecke des Parlaments, der immer neuen Schlaumeierlösungen sprachgewaltiger Privatbankiers sind jetzt griffige Lösungen überfällig. Die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist aufzugeben, auch für Schweizerinnen und Schweizer. Die ehrlichen Steuerzahler wären dankbar dafür. Das vom Bundesverwaltungsgericht für ungültig erklärte Abkommen mit den USA ist vom Parlament, ebenso wie die 18 neu ausgehandelten Doppelbesteuerungsabkommen, zu ratifizieren. Eine Lösung für die vielen Altlasten, die auf schweizerischen Banken liegen, muss – statt mit Obstruktion (Selbstdeklaration!) – ehrlich gemeint sein. Die helvetischen Rückzugsgefechte sind abzubrechen. Im Moment, wo das Geschäfts-Modell der Schweiz selbst aus Distanz nicht mehr als Hehlerei bezeichnet werden kann, in dem Moment kann auch gegen Hehlerei anderswo mit Legitimation vorgegangen werden.
Bereits zeichnen sich für Merz & Co. neue Gewitterwolken ab. Die EU beabsichtigt, in ein bis zwei Jahren Steuerdelikte als Vortaten zu Geldwäscherei zu qualifizieren. Welches Land wehrt sich – als einziges in Europa – noch gegen diese Neuerung: Die Schweiz.
Das „unverhandelbare Bankgeheimnis“ als Zukunftslosung fragmentweise in die Zukunft retten zu wollen ist für ein exportorientiertes Land ein gefährliches Risiko und gleichzeitig Ärgernis, eigentlich müsste es ehrlicherweise deklariert werden als „für Bundesrat Merz unverhandelbare Bankgeheimnis“. Doch was heisst diesbezüglich schon ehrlich?