Das unabhängige Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) der Universität Luzern hat im Mai 2023 eine Studie zum ungebremsten Wachstumstrend der Bundessubventionen publiziert. Der Titel lautet: «Milliardenschwere Einsparungen bei Bundessubventionen möglich.» Offensichtlich besteht erheblicher Handlungsbedarf.
38 Milliarden Franken potenziell schädliche Subventionen 2023
Das Ziel des ersten Subventionsreports des Instituts ist die volkswirtschaftliche Einordnung der grossen Bundessubventionen über 1 Mio. Franken und ihre Auswirkungen auf die allgemeine Wohlfahrt der Schweiz. Die Einordnung erfolgt in drei Kategorien
Grün/wohlfahrtsmehrend, wirksam 9,1 Mrd.
Gelb/ evtl. wohlfahrtsmindernd, fragwürdig 31,3 Mrd.
Rot/überwiegend wohlfahrtsmindernd, schädlich 6,7 Mrd.
(nicht bestimmt 1,4 Mrd.)
Total 48,5 Mrd.
Dieser Befund ist ernüchternd. Dachten wir doch bisher, Subventionen wären finanzielle Leistungen aus öffentlichen Mitteln an Betriebe oder Unternehmen. Diese Eingriffe ins Marktgeschehen durch wirtschaftspolitische Entscheide sollen jenen helfen, die eine wichtige Dienstleistung erbringen, die nicht aus eigener Kraft finanziert werden oder deren Gegenwert die Kosten nicht decken kann. Und jetzt das: «Der Bund verteilt Milliarden an schädlichen Subventionen» (NZZ).
Ausgabenbereiche, die irritieren
Nachfolgende Sparten erhalten Subventionsbeiträge, eingestuft in wohlfahrtsvermindernd, ambivalent und wohlfahrtsvermehrend:
Landwirtschaft und Wirtschaft (u.a. Energie): wohlfahrtsvermindernd
Soziale Wohlfahrt, Verkehr: ambivalent
Umwelt und Raumordnung und Bildung/Forschung: wohlfahrtsvermehrend
(Kultur und Freizeit: ausgeglichen)
Deutlich am schlechtesten kommt die Landwirtschaft daher. Die NZZ, Verfasser obiger Statistik, schreibt dazu: «Mit Blick auf die Landwirtschaft werden fast alle der insgesamt 3,6 Milliarden Franken an direkten Subventionen als schädlich eingestuft.» In diesem Zusammenhang sei an frühere meiner Kolumnen erinnert, in denen ich die Illusion der Versorgungssicherheit sowie die Landschaftspflege und den Naturschutz, die durch den Bauernverband als grossartige Leistungen der Bauern dargestellt werden, kritisierte. Ein grosser Teil dieser Milliarden fliessen als Direktzahlungen an die Bauernhöfe, doch die IWP-Studie zeigt, dass die gesetzten Ziele meistens verfehlt werden.
Der Blick ergänzt: «Bei der Selbstversorgung erreicht die Schweiz gerade mal 50 Prozent und ist auf offene Grenzen angewiesen. Und die Zahlungen sorgen auch kaum für mehr Landschaftsschutz. Diese Agrarpolitik kommt die Schweizer Haushalte teuer zu stehen.»
Gesamtschau der Subventionen
Wer sich für die gesamten Einträge des Eidg. Finanzdepartements (www.data.finance.admin.ch) interessiert: Bei einem Total von 48,5 Mrd. Bundessubventionen im Jahr 2022 sind nicht weniger als 434 Empfänger gelistet, wovon die 10 grössten allein 32,1 Mrd. (66%) beanspruchen:
Leistungen des Bundes an die AHV 9,7 Mrd.
Einlage Bahninfrastruktur 5,6 Mrd.
Leistungen des Bundes an die IV 3,9 Mrd.
Individuelle Prämienverbilligung (IPV) 2,9 Mrd.
Direktzahlungen Landwirtschaft 2,8 Mrd.
Finanzierungsbeitrag an ETH 2,4 Mrd.
Einlage Netzzuschlagsfonds 1,3 Mrd.
Covid: Bundesfinanzierung SARS-Test 1,2 Mrd.
Institutionen Forschungsförderung 1,2 Mrd.
Regionaler Personenverkehr 1,1 Mrd.
Total 32,1 Mrd.
Die Politik ist gefordert
Seit vielen Jahren wachsen die Ausgaben für Subventionen in der Schweiz ungebremst nach oben. Dies gibt zu denken in Zusammenhang mit den steigenden Bundesdefiziten von 2 bis 3 Mrd. Franken jährlich, die prognostiziert werden. Einerseits verbietet die Schuldenbremse weiteres Schuldenwachstum, andererseits sind Steuererhöhungen unpopulär und der Widerstand des Stimmvolks wäre gross. Bleibt für den Bundesrat nur der Fokus auf Ausgabenkürzungen – und der, so würde man meinen, müsste bei kontraproduktiven Subventionen ansetzen. Gemäss einleitender Statistik beläuft sich dieses Potenzial immerhin auf 38 Mrd. Franken im Jahr. Der Subventionsreport des IWP könnte eine wertvolle Entscheidungsgrundlage darstellen – wären da nicht die Lobbygruppen, allen voran der Bauernverband …
Wenn also 38 Milliarden Subventionen «aus wohlfahrtstheoretischer Sicht fragwürdig bis überflüssig sind, also mehr Schaden als Nutzen generieren» (Subventionsreport des IWP), dann müsste es unseren Politikerinnen und Politikern eigentlich gelingen, Gegensteuer zu geben. Geboten ist, jährlich nicht mehr Geld zu fordern, sondern weniger Geld für kontraproduktive Bundessubventionen auszurichten.
Potenzielle Sparmöglichkeiten
Die Luzerner Studie schlägt auch vor, wo sich aus ihrer Sicht Sparmöglichkeiten anbieten. Hier eine kleine Auswahl:
«Bei den direkten Branchenhilfen an die Landwirtschaft in Höhe von 3,3 Mrd. Franken handelt es sich vornehmlich um industriepolitische Subventionen, die eine starke Verzerrungswirkung nach sich ziehen. Es stellt sich auch die Frage nach dem Sinn von rund 1,7 Mrd. Franken für ein Gebäudeprogramm und Bundeszuschüsse für den Netzzuschlagsfonds, die vor dem Hintergrund des Emissions-Zertifikatehandels kaum klimapolitische Wirkung entfalten. Auch kuriose Subventionen wie Zahlungen über 106 Mio. Franken an eine Immobilienstiftung in Genf, die subventionierte Darlehen für Bau- und Renovierungsvorhaben für internationale Organisationen finanziert, sollten diskutiert werden.» Des Weiteren werden Subventionen für die Filmförderung, Zustellermässigung für Zeitungen und Zeitschriften, neue Regionalpolitik.
Wer realisiert, dass Subventionen oft nur einer kleinen, bestimmten Interessengruppe nützen oder den Strukturwandel behindern und den Markt verzerren, müsste handeln wollen. Einen weiteren Fingerzeig liefert die NZZ bei ihrer Beurteilung der Milliardensubventionen: Bundesbeiträge für die Marketingorganisation Schweiz Tourismus werden mit einem Fragezeichen versehen, ebenso die 550 Millionen für die Arbeitslosenversicherung, die eigentlich durch die Prämienzahler zu finanzieren wären.
Eine Herkulesaufgabe für die eidgenössischen Räte
Der Trend der Subventionsgewährung geht momentan Richtung Ausbau/Erhöhung, wo doch das Gegenteil von Abbau/Senkung nötig wäre. Wo finden sich Politikerinnen und Politiker, die sich für das unpopuläre Streichkonzert von Subventionen einbinden lassen? Gar in einem Wahljahr wie 2023? Wir werden uns wohl vergeblich nach ihnen umsehen.